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Verzicht auf Zusatzpflichtteil nach § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB – Anforderungen

Ein erbitterter Streit um das Erbe von G. S. entbrennt: Zwei Kinder aus erster Ehe fordern ihren Pflichtteil ein und zweifeln die Bewertung des Nachlasses an. Das Oberlandesgericht Celle stärkt ihre Rechte und betont die Bedeutung einer transparenten Nachlassbewertung. Nun muss das Landgericht klären, ob den Klägern tatsächlich mehr zusteht.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Urteil betrifft die Wertermittlung von Grundstücken im Rahmen eines Nachlasses und die Zahlung eines Zusatzpflichtteils.
  • Die Kläger, die Kinder aus erster Ehe des verstorbenen Erblassers, verlangen eine Teilhabe am Nachlass, den die Beklagte als Erbin verwaltet.
  • Schwierigkeiten bestehen in der Klärung des Wertes der Nachlassgrundstücke und den Ansprüchen der Kläger auf einen Pflichtteil.
  • Das Gericht entschied, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Wert der Nachlassgrundstücke durch einen neutralen Sachverständigen ermitteln zu lassen.
  • Die Entscheidung basiert auf dem Grundsatz, dass Pflichtteilsberechtigte ein Anrecht auf den richtigen Wert des Nachlasses haben, um ihren Anspruch zu beziffern.
  • Das Urteil hat zur Folge, dass die Kläger weiterhin ihre Forderungen geltend machen können und die Beklagte den Wert des Nachlasses transparent machen muss.
  • Die vorläufige Vollstreckbarkeit sorgt dafür, dass die Kläger frühzeitig ihre Ansprüche durchsetzen können.
  • Der Verweis auf das Landgericht zur künftigen Klärung der Zahlungsansprüche zeigt, dass der Fall noch nicht vollständig abgeschlossen ist.
  • Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde neu festgelegt, was die finanziellen Aspekte des Verfahrens beeinflusst.
  • Das Urteil könnte Einfluss auf ähnliche Fälle haben, in denen es um die Durchsetzung von Pflichtteilen und deren Wertermittlung geht.

Pflichtteil im deutschen Erbrecht: Bedeutung und rechtliche Fallanalyse

Im deutschen Erbrecht spielt der Pflichtteil eine zentrale Rolle, um die gesetzlich festgelegte Erbfolge zu gewährleisten und den nächsten Angehörigen ein Mindestmaß an Erbansprüchen zu sichern. Dabei wird zwischen dem gesetzlichen Erbteil und dem Pflichtteil unterschieden. Der Pflichtteil stellt sicher, dass nahe Angehörige, wie Kinder oder der Ehepartner, auch bei einer testamentarischen Verfügung des Erblassers nicht völlig leer ausgehen. Oftmals kommt es jedoch vor, dass Erblasser zusätzlich vertragliche Vereinbarungen treffen möchten, um bestimmten Personen Erbansprüche zu verweigern oder die Erbfolge individuell zu gestalten.

Ein interessanter Aspekt des Gesetzes ist der Verzicht auf den Pflichtteil, der in § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelt ist. Dieser Verzicht kann für Erben von großer Bedeutung sein, da er sowohl rechtliche als auch emotionale Implikationen hat. Der Erblasser hat die Möglichkeit, die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten zu beeinflussen, doch sind dabei klare rechtliche Anforderungen zu beachten, um die Wirksamkeit des Verzichts sicherzustellen. In der weiteren Betrachtung werden wir einen konkreten Fall analysieren, der sich mit diesen Anforderungen und deren praktischen Folgen auseinandersetzt.

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Der Fall vor Gericht


Erben, Vermächtnisse und Pflichtteilsansprüche: Ein komplexer Rechtsstreit um den Nachlass von G. S.

Der Fall des verstorbenen G. S. offenbart die Komplexität des deutschen Erbrechts und die damit verbundenen rechtlichen Auseinandersetzungen. G. S., geboren 1940 und verstorben 2020, hinterließ ein Testament, das seine zweite Ehefrau als Alleinerbin einsetzte und seinen Kindern verschiedene Vermächtnisse zusprach. Zwei seiner Kinder aus erster Ehe, die Kläger in diesem Fall, forderten jedoch mehr als nur die ihnen zugedachten Vermächtnisse.

Das Testament des Erblassers sah vor, dass seinen Kindern aus erster Ehe jeweils ein Drittel des Erlöses aus der Veräußerung von 50% seiner Depotanteile zustehen sollte. Nach dem Tod von G. S. forderten die Kläger Auskunft über diese Depots und erhielten daraufhin jeweils 105.556,95 Euro ausgezahlt. Doch damit gaben sie sich nicht zufrieden.

Die Kläger verlangten von der Erbin, ihrer Stiefmutter, eine umfassende Auskunft über den gesamten Nachlass. Sie waren mit der Bewertung der zum Nachlass gehörenden Immobilien nicht einverstanden und forderten eine Wertermittlung durch einen unabhängigen Sachverständigen. Ihr Ziel war es, einen möglichen Anspruch auf den sogenannten Zusatzpflichtteil geltend zu machen.

Die Beklagte argumentierte, dass die Kläger durch die Annahme des Vermächtnisses konkludent auf weitere Ansprüche verzichtet hätten. Das Landgericht folgte zunächst dieser Argumentation und wies die Klage ab. Doch das Oberlandesgericht Celle sah den Fall differenzierter.

In seiner Entscheidung betonte das OLG, dass an die Feststellung eines Verzichtswillens strenge Anforderungen zu stellen sind. Ein Verzicht dürfe nicht vermutet werden, insbesondere wenn es um den Verlust von Rechten geht. Das Gericht stellte klar, dass das Gesetz keine Verpflichtung des Pflichtteilsberechtigten vorsieht, sich bei der Annahme eines Vermächtnisses den Zusatzpflichtteil ausdrücklich vorzubehalten.

Das OLG gab den Klägern Recht und entschied, dass sie Anspruch auf eine Wertermittlung der Nachlassgrundstücke haben. Es sah keinen ausreichenden Grund für die Annahme, dass die Kläger durch ihr Verhalten auf den Zusatzpflichtteil verzichtet hätten. Das Gericht wies darauf hin, dass den Klägern zunächst weder der genaue Wert des Depots noch der Wert des übrigen Nachlasses bekannt war.

Besonders interessant ist die Erweiterung der Klage im Berufungsverfahren. Die Kläger verbanden ihren Antrag auf Wertermittlung mit einem unbezifferten Zahlungsantrag für den Zusatzpflichtteil. Das Gericht ließ diese Erweiterung zu und sah darin eine sinnvolle Möglichkeit, den Fall abschließend zu klären.

Aufgrund der Komplexität der Bewertungsfragen verwies das OLG die Sache zur Entscheidung über den Zahlungsanspruch an das Landgericht zurück. Es betonte, dass erst nach der Wertermittlung der Grundstücke festgestellt werden könne, ob und in welcher Höhe den Klägern ein Zusatzpflichtteil zusteht.

Rechtliche Bedeutung und komplexe Abwägungen

Der Fall zeigt die Vielschichtigkeit erbrechtlicher Auseinandersetzungen. Er verdeutlicht, wie wichtig eine genaue Prüfung der Umstände ist, bevor ein Verzicht auf Rechte angenommen wird. Das OLG Celle stellt klar, dass die bloße Annahme eines Vermächtnisses nicht automatisch zum Verlust weitergehender Pflichtteilsansprüche führt.

Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Nachlassbewertung und die Rechte der Pflichtteilsberechtigten auf umfassende Information. Sie zeigt auch, wie komplex die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen sein kann, insbesondere wenn der Nachlass umfangreichen Grundbesitz umfasst.

Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung des OLG Celle bekräftigt, dass die Annahme eines Vermächtnisses nicht automatisch einen Verzicht auf den Zusatzpflichtteil bedeutet. An die Feststellung eines Verzichtswillens sind strenge Anforderungen zu stellen, insbesondere wenn es um den Verlust von Rechten geht. Die Entscheidung stärkt die Position von Pflichtteilsberechtigten, indem sie deren Recht auf umfassende Nachlassinformation und -bewertung betont. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung in erbrechtlichen Auseinandersetzungen.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil stärkt Ihre Rechte als Pflichtteilsberechtigter erheblich. Wenn Sie ein Vermächtnis erhalten haben, bedeutet das nicht automatisch, dass Sie auf weitere Ansprüche verzichten. Sie können sowohl das Vermächtnis annehmen als auch einen möglichen Zusatzpflichtteil geltend machen. Wichtig ist: Sie müssen sich den Zusatzpflichtteil nicht ausdrücklich vorbehalten. Das Gericht betont, dass an einen Verzicht auf Pflichtteilsansprüche strenge Anforderungen zu stellen sind. Praktisch heißt das für Sie: Lassen Sie sich nicht vorschnell mit einem Vermächtnis abspeisen, sondern prüfen Sie genau, ob Ihnen eventuell mehr zusteht. Sie haben das Recht, eine genaue Wertermittlung des Nachlasses zu verlangen, um Ihre Ansprüche korrekt berechnen zu können.


FAQ – Häufige Fragen

In unserer FAQ-Rubrik finden Sie wertvolle Informationen rund um häufige Fragen im Bereich Erbrecht. Besonders im Fokus steht der Pflichtteil, ein Konzept, das oft mit Unsicherheiten und Missverständnissen verbunden ist. Hier klären wir die wichtigsten Aspekte und bieten Einblicke, die Ihnen helfen, Ihre Rechte und Pflichten im Erbrechtsverfahren besser zu verstehen. Entdecken Sie unsere Antworten auf die häufigsten Fragen und profitieren Sie von unserem juristischen Fachwissen.


Was ist ein Pflichtteil im deutschen Erbrecht und wer hat Anspruch darauf?

Der Pflichtteil ist ein gesetzlich verankerter Mindestanteil am Nachlass eines Erblassers, der bestimmten nahen Angehörigen zusteht, selbst wenn diese durch ein Testament enterbt wurden. Dieses Recht soll sicherstellen, dass bestimmte Familienmitglieder nicht vollständig leer ausgehen, auch wenn der Erblasser andere Erben bevorzugt hat.

Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?

Pflichtteilsberechtigte Personen sind gemäß § 2303 BGB:

  • Abkömmlinge des Erblassers, also Kinder, Enkel und Urenkel.
  • Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner des Erblassers.
  • Eltern des Erblassers, falls keine Abkömmlinge vorhanden sind.

Geschwister, Neffen, Nichten oder andere Verwandte haben keinen Anspruch auf den Pflichtteil, selbst wenn sie gesetzliche Erben sein könnten.

Wie wird der Pflichtteil berechnet?

Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, den der Pflichtteilsberechtigte ohne Testament erhalten hätte. Die Berechnung basiert auf dem Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls. Dabei wird der gesamte Nachlass bewertet und die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs als Pflichtteil festgelegt.

Rechtliche Bedingungen und Besonderheiten

  • Enterbung und Pflichtteil: Auch bei einer Enterbung durch Testament bleibt der Anspruch auf den Pflichtteil bestehen. Der Pflichtteil ist ein Geldanspruch, es besteht kein Anspruch auf konkrete Gegenstände oder Immobilien.
  • Pflichtteilsentzug: In extremen Fällen kann der Erblasser den Pflichtteil entziehen, etwa bei schweren Verfehlungen wie Verbrechen gegen den Erblasser. Dies muss jedoch im Testament ausdrücklich begründet werden.
  • Verjährung: Der Anspruch auf den Pflichtteil verjährt in der Regel drei Jahre nach Kenntnis des Erbfalls, spätestens jedoch 30 Jahre nach dem Tod des Erblassers.

Wenn Sie sich in einer Situation befinden, in der Sie glauben, einen Anspruch auf den Pflichtteil zu haben, ist es ratsam, sich über den genauen Nachlasswert zu informieren und gegebenenfalls rechtliche Schritte zur Durchsetzung Ihres Anspruchs zu erwägen.

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Unter welchen Umständen kann auf den Pflichtteil verzichtet werden?

Ein Verzicht auf den Pflichtteil ist möglich, jedoch an bestimmte formale und inhaltliche Anforderungen gebunden. Wichtig ist, dass der Verzicht durch einen notariell beurkundeten Vertrag erfolgt. Dies bedeutet, dass sowohl der Erblasser als auch der Pflichtteilsberechtigte ihre Willenserklärungen formgerecht abgeben müssen. Eine gleichzeitige Anwesenheit beider Parteien bei der Beurkundung ist nicht zwingend erforderlich.

Inhaltliche Anforderungen und Konsequenzen:

  • Vertragliche Vereinbarung: Der Pflichtteilsverzicht wird vertraglich zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten festgelegt. Der Vertrag muss klar die Absicht beider Parteien widerspiegeln, auf den Pflichtteil zu verzichten.
  • Gegenleistung: Oft wird eine Abfindung als Gegenleistung für den Verzicht vereinbart. Diese kann in Form von Geld, Immobilien oder anderen Vermögenswerten erfolgen. Es besteht jedoch kein gesetzlicher Anspruch auf eine solche Abfindung, und sie kann als Schenkung steuerpflichtig sein.
  • Unwiderruflichkeit: Ein einmal erklärter Pflichtteilsverzicht ist grundsätzlich unwiderruflich. Eine Aufhebung des Verzichts ist nur möglich, wenn beide Parteien dem zustimmen und dies ebenfalls notariell beurkundet wird.
  • Persönliche Natur des Verzichts: Der Verzicht ist persönlich und nicht vererbbar. Das bedeutet, dass die Erben des Verzichtenden nicht betroffen sind und ihren eigenen Pflichtteil geltend machen können, falls sie erbberechtigt sind.

Beispiel aus dem Alltag:

Stellen Sie sich vor, Sie sind Teil einer Familie, die ein Familienunternehmen besitzt. Um die Unternehmensnachfolge zu sichern und Streitigkeiten zu vermeiden, könnten Sie sich entscheiden, auf Ihren Pflichtteil zu verzichten, im Gegenzug aber eine sofortige Abfindung erhalten. Diese Abfindung gibt Ihnen finanzielle Sicherheit und ermöglicht dem Unternehmen, ohne die Belastung einer Erbteilung weitergeführt zu werden.

Wichtige Hinweise:

  • Rechtliche Beratung: Es ist ratsam, sich vor einem Pflichtteilsverzicht rechtlich beraten zu lassen, um alle Konsequenzen zu verstehen und sicherzustellen, dass der Verzicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
  • Steuerliche Aspekte: Da der Verzicht steuerliche Auswirkungen haben kann, insbesondere im Hinblick auf Schenkungssteuer, sollte auch steuerlicher Rat eingeholt werden.

Ein Pflichtteilsverzicht sollte gut überlegt und sorgfältig geplant sein, um unerwünschte rechtliche und finanzielle Folgen zu vermeiden.

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Kann die Annahme eines Vermächtnisses den Verlust des Pflichtteilsanspruchs bedeuten?

Die Annahme eines Vermächtnisses bedeutet nicht automatisch den Verlust des Pflichtteilsanspruchs. Es ist wichtig zu verstehen, dass ein Vermächtnis und der Pflichtteilsanspruch zwei unterschiedliche rechtliche Konzepte im Erbrecht sind.

Unterschied zwischen Vermächtnis und Pflichtteil

  • Vermächtnis: Ein Vermächtnis ist eine Zuwendung eines bestimmten Gegenstandes oder einer Geldsumme an eine Person, die nicht Erbe ist. Der Vermächtnisnehmer hat einen Anspruch auf die Erfüllung des Vermächtnisses gegenüber dem Erben, ist jedoch nicht Teil der Erbengemeinschaft.
  • Pflichtteil: Der Pflichtteil ist ein gesetzlicher Anspruch auf einen bestimmten Anteil am Nachlass, der bestimmten nahen Angehörigen des Erblassers zusteht, wie z.B. Ehegatten, Kindern oder Eltern, wenn diese durch Testament enterbt wurden oder weniger als ihren Pflichtteil erhalten.

Anrechnung des Vermächtnisses auf den Pflichtteil

Gemäß § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB wird ein Vermächtnis auf den Pflichtteil angerechnet. Das bedeutet, dass der Wert des Vermächtnisses den Pflichtteilsanspruch mindern kann, wenn der Berechtigte das Vermächtnis annimmt. Wichtig ist jedoch, dass der Pflichtteilsberechtigte die Wahl hat, das Vermächtnis auszuschlagen und stattdessen seinen vollen Pflichtteil zu verlangen.

Beispiel zur Verdeutlichung

Stellen Sie sich vor, Sie sind als Kind des Erblassers pflichtteilsberechtigt und erhalten ein Vermächtnis in Höhe von 30.000 Euro, während Ihr Pflichtteilsanspruch 50.000 Euro beträgt. Wenn Sie das Vermächtnis annehmen, wird es auf Ihren Pflichtteil angerechnet, und Sie könnten nur die Differenz von 20.000 Euro als Pflichtteil beanspruchen. Entscheiden Sie sich jedoch, das Vermächtnis auszuschlagen, können Sie den vollen Pflichtteil von 50.000 Euro verlangen.

Faktoren zur Entscheidung

  • Wertvergleich: Vergleichen Sie den Wert des Vermächtnisses mit dem Pflichtteil. Ist der Pflichtteil höher, könnte es sinnvoll sein, das Vermächtnis auszuschlagen.
  • Beschränkungen und Beschwerungen: Prüfen Sie, ob das Vermächtnis mit Verpflichtungen verbunden ist, die den Wert mindern könnten.
  • Individuelle Situation: Ihre finanzielle Situation und Ihre Beziehung zum Erblasser könnten ebenfalls eine Rolle bei der Entscheidung spielen.

Es ist ratsam, sich bei Unsicherheiten juristisch beraten zu lassen, um die beste Entscheidung für Ihre individuelle Situation zu treffen.

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Welche Rolle spielt eine Wertermittlung von Nachlassgegenständen im Kontext des Pflichtteils?

Die Wertermittlung von Nachlassgegenständen ist ein zentraler Aspekt im Kontext des Pflichtteilsrechts. Sie bestimmt maßgeblich die Höhe des Pflichtteilsanspruchs, da dieser auf dem Wert des Nachlasses basiert.

Bedeutung der Wertermittlung

  • Berechnung des Pflichtteils: Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch, der sich aus der Hälfte des gesetzlichen Erbteils ergibt. Um diesen berechnen zu können, muss der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls festgestellt werden.
  • Anspruch auf Auskunft und Wertermittlung: Nach § 2314 BGB hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Auskunft über den Nachlass und kann eine Wertermittlung verlangen. Diese umfasst sowohl die tatsächlichen Nachlassgegenstände als auch fiktive Bestandteile wie Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers.

Durchführung der Wertermittlung

  • Sachverständigengutachten: Ist der Wert der Nachlassgegenstände unklar, kann der Pflichtteilsberechtigte ein Sachverständigengutachten verlangen. Der Erbe ist verpflichtet, dieses Gutachten in Auftrag zu geben und die Kosten werden vom Nachlass getragen, was den Pflichtteilsanspruch indirekt mindern kann.
  • Nicht bindend: Die durch ein Gutachten ermittelten Werte sind nicht zwingend bindend. Sowohl der Pflichtteilsberechtigte als auch der Erbe können abweichende Werte geltend machen, was zu Streitigkeiten führen kann.

Umgang mit Streitigkeiten

  • Beweislast und Prozessrisiko: Kommt es zu einem Rechtsstreit über den Wert der Nachlassgegenstände, trägt derjenige, der einen abweichenden Wert behauptet, die Beweislast. Dies kann sowohl den Pflichtteilsberechtigten als auch den Erben betreffen.
  • Gerichtliche Klärung: Bei Uneinigkeit über den Wert kann ein gerichtliches Verfahren notwendig werden, um den genauen Nachlasswert festzustellen. Alternativ können sich die Parteien auf den vom Finanzamt festgelegten Wert einigen, um langwierige Prozesse zu vermeiden.

Die genaue Wertermittlung ist entscheidend, um den Pflichtteilsanspruch korrekt zu berechnen und durchzusetzen. Wenn Sie als Pflichtteilsberechtigter den Wert eines Nachlasses ermitteln möchten, sollten Sie Ihren Anspruch auf Auskunft und Wertermittlung gegenüber den Erben geltend machen, um eine faire Berechnung Ihres Pflichtteils sicherzustellen.

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Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, um einen Anspruch auf den Zusatzpflichtteil geltend zu machen?

Der Zusatzpflichtteil ist ein rechtlicher Anspruch, der einem pflichtteilsberechtigten Erben zusteht, wenn sein Erbteil geringer ist als der gesetzliche Pflichtteil. Dies ist im § 2305 BGB geregelt. Der Anspruch auf den Zusatzpflichtteil kann geltend gemacht werden, wenn der Erblasser einem pflichtteilsberechtigten Erben einen Erbteil hinterlassen hat, der weniger als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt. In einem solchen Fall kann der Erbe von den Miterben den Wert des fehlenden Teils verlangen.

Voraussetzungen und Vorgehensweise

  1. Ermittlung des Anspruchs: Zunächst muss festgestellt werden, ob der hinterlassene Erbteil tatsächlich geringer ist als der gesetzliche Pflichtteil. Dies erfordert eine genaue Bewertung des Nachlasses und des zugewiesenen Erbteils.
  2. Geltendmachung des Anspruchs: Der Anspruch auf den Zusatzpflichtteil muss aktiv gegenüber den Miterben geltend gemacht werden. Dies geschieht in der Regel durch eine schriftliche Aufforderung zur Auszahlung des fehlenden Betrags.
  3. Außergerichtliche Einigung: Oftmals kann der Anspruch außergerichtlich durch Verhandlungen mit den Miterben geklärt werden. Hierbei kann ein anwaltliches Schreiben helfen, um den Anspruch zu untermauern und eine Einigung zu erzielen.
  4. Gerichtliche Durchsetzung: Sollte eine außergerichtliche Einigung nicht möglich sein, kann der Anspruch gerichtlich durchgesetzt werden. Dies erfolgt durch Klageerhebung vor den zuständigen Zivilgerichten. Es ist ratsam, sich hierbei von einem Fachanwalt für Erbrecht unterstützen zu lassen.

Verjährung

Der Anspruch auf den Zusatzpflichtteil unterliegt der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB. Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, also mit dem Erbfall und der Kenntnis des pflichtteilsberechtigten Erben über den Nachlass und dessen Wert.

Praktische Tipps

  • Dokumentation: Halten Sie alle relevanten Informationen und Dokumente zum Nachlass und zur Erbaufteilung sorgfältig fest.
  • Rechtsberatung: Ziehen Sie in Erwägung, frühzeitig einen Anwalt zu konsultieren, um Ihre Ansprüche korrekt zu berechnen und durchzusetzen.
  • Kommunikation: Versuchen Sie, eine offene Kommunikation mit den Miterben zu führen, um Missverständnisse zu vermeiden und eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Der Zusatzpflichtteil stellt sicher, dass pflichtteilsberechtigte Erben nicht benachteiligt werden, wenn der Erblasser versucht, ihren gesetzlichen Anspruch durch ein Testament zu umgehen.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Vermächtnis: Ein Vermächtnis ist eine testamentarische Verfügung, bei der der Erblasser einem Begünstigten einen bestimmten Vermögensgegenstand oder Geldbetrag aus dem Nachlass zuwendet, ohne ihn zum Erben einzusetzen. Der Vermächtnisnehmer hat einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben auf Erfüllung des Vermächtnisses. Im Gegensatz zum Erben haftet er nicht für Nachlassverbindlichkeiten. Vermächtnisse dienen oft dazu, einzelne Personen zu bedenken oder den Nachlass gezielt aufzuteilen. Im vorliegenden Fall hatte der Erblasser seinen Kindern aus erster Ehe Vermächtnisse in Form von Depotanteilen zugesprochen.
  • Zusatzpflichtteil: Der Zusatzpflichtteil ist ein Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf eine Erhöhung seines gesetzlichen Pflichtteils, wenn der Wert einer ihm vom Erblasser gemachten Zuwendung (z.B. Schenkung oder Vermächtnis) seinen regulären Pflichtteil übersteigt. Er soll verhindern, dass der Pflichtteilsberechtigte durch Annahme einer Zuwendung schlechter gestellt wird als bei Geltendmachung des Pflichtteils. Die Berechnung erfolgt, indem der Wert der Zuwendung vom fiktiven gesetzlichen Erbteil abgezogen wird. Die Differenz bildet den Zusatzpflichtteil. Im Urteil prüfen die Kläger, ob ihnen neben den erhaltenen Vermächtnissen noch ein Zusatzpflichtteil zusteht.
  • Konkludenter Verzicht: Ein konkludenter Verzicht liegt vor, wenn jemand durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck bringt, auf ein Recht verzichten zu wollen, ohne dies ausdrücklich zu erklären. Im Erbrecht ist bei der Annahme eines konkludenten Verzichts besondere Vorsicht geboten. Das Gericht betont, dass strenge Anforderungen gelten und ein Verzicht nicht leichtfertig vermutet werden darf. Im vorliegenden Fall argumentierte die Beklagte, die Kläger hätten durch Annahme des Vermächtnisses konkludent auf weitere Ansprüche verzichtet. Das OLG widersprach dieser Auffassung und stellte klar, dass die bloße Annahme eines Vermächtnisses keinen automatischen Verzicht auf den Zusatzpflichtteil bedeutet.
  • Wertermittlung des Nachlasses: Die Wertermittlung des Nachlasses ist ein zentraler Schritt zur Berechnung von Pflichtteils- und Erbansprüchen. Sie umfasst die Bewertung aller zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände zum Zeitpunkt des Erbfalls. Bei Immobilien wird oft ein Sachverständigengutachten eingeholt. Pflichtteilsberechtigte haben nach § 2314 BGB einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses und können eine Wertermittlung verlangen. Im Urteil fordern die Kläger eine unabhängige Wertermittlung der Nachlassimmobilien, um ihre möglichen Ansprüche auf einen Zusatzpflichtteil prüfen zu können.
  • Stufenklage: Die Stufenklage ist ein prozessuales Instrument, bei dem der Kläger zunächst Auskunft oder Rechnungslegung und dann, basierend auf den erhaltenen Informationen, Zahlung verlangt. Sie wird häufig im Erbrecht eingesetzt, wenn der genaue Umfang des Anspruchs noch unbekannt ist. Die Stufenklage ermöglicht es, in einem Verfahren sowohl die notwendigen Informationen zu erlangen als auch den daraus resultierenden Anspruch geltend zu machen. Im vorliegenden Fall erweiterten die Kläger ihre Klage um einen unbezifferten Zahlungsantrag für den Zusatzpflichtteil, was das Gericht als zulässige Stufenklage wertete.
  • Erlassvertrag: Ein Erlassvertrag ist eine Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner, durch die eine Forderung aufgehoben wird. Im Erbrecht kann ein Erlassvertrag zum Verzicht auf Pflichtteilsansprüche führen. Das Gericht betont, dass für einen wirksamen Erlass übereinstimmende Willenserklärungen beider Parteien erforderlich sind. Ein einseitiges Verhalten des Gläubigers reicht nicht aus. Die Beweislast für das Zustandekommen eines Erlassvertrags trägt der Schuldner. Im Urteil prüft das Gericht, ob durch das Verhalten der Kläger und der Beklagten ein konkludenter Erlassvertrag bezüglich der Zusatzpflichtteilsansprüche zustande gekommen ist, was es letztlich verneint.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 2303 BGB (Pflichtteil): Der Pflichtteil sichert nahen Angehörigen (Kindern, Ehegatten, ggf. Eltern) einen Mindestanteil am Nachlass, auch wenn sie im Testament enterbt wurden. Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Im vorliegenden Fall geht es darum, ob die Kläger zusätzlich zu ihren Vermächtnissen noch einen Pflichtteil beanspruchen können.
  • § 2305 BGB (Verzicht auf den Pflichtteil): Ein Pflichtteilsberechtigter kann auf seinen Pflichtteil verzichten, dies bedarf aber einer ausdrücklichen Erklärung oder eines eindeutigen Verhaltens. Hier ist strittig, ob die Kläger durch die Annahme der Vermächtnisse und der Zahlung aus dem Depot auf ihren Pflichtteil verzichtet haben.
  • § 2314 BGB (Auskunftsanspruch): Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand und Wert des Nachlasses, um seinen Pflichtteil berechnen zu können. Die Kläger verlangen hier Auskunft über die Immobilienwerte, um einen möglichen Anspruch auf den Zusatzpflichtteil zu prüfen.
  • § 2325 BGB (Zusatzpflichtteil): Übersteigt der Wert der dem Pflichtteilsberechtigten gemachten Zuwendungen (z.B. Schenkungen) seinen Pflichtteil erheblich, kann er einen Zusatzpflichtteil verlangen. Hier prüfen die Kläger, ob ihnen aufgrund der Immobilienwerte ein solcher Anspruch zusteht.
  • § 2336 BGB (Stufenklage): Bei ungewissem Umfang des Anspruchs kann der Kläger zunächst nur Auskunft und dann, nach Erhalt der Auskunft, Zahlung des konkreten Betrags verlangen. Die Kläger haben hier zunächst Wertermittlung beantragt und dann, nach Erweiterung der Klage, Zahlung eines Zusatzpflichtteils.

Das vorliegende Urteil

 

OLG Celle – Az.: 6 U 51/23 – Urteil vom 29.07.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Auf die Berufung der Kläger wird das am 12. Juni 2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover abgeändert und die Beklagte verurteilt, den Wert der im Nachlassbestandsverzeichnis des Notars Dr. J. K. vom 27. Juni 2022 aufgeführten Grundstücksanteile

a) Einfamilienhaus T. 3 b, … H., eingetragen beim Amtsgericht Hannover im Grundbuch von Kx. Blatt …2,

b) Einfamilienhaus P. 7 b, … H., eingetragen beim Amtsgericht Hannover im Grundbuch von Kx. Blätter …7 und …3,

c) Wohnungseigentum A. 61, … H., eingetragen beim Amtsgericht Hannover im Wohnungsgrundbuch von F. Blatt …3x,

d) Wohnungseigentum Fx. 23, … H., eingetragen beim Amtsgericht Hannover im Wohnungsgrundbuch von Tx. Blatt …9,

e) Ferienhaus Txx …, Sx.,

durch ein Wertgutachten eines unparteiischen Sachverständigen ermitteln zu lassen.

Wegen des noch unbezifferten Zahlungsantrags der Kläger wird die Sache an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Wertermittlung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Unter Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung im Senatsbeschluss vom 10. Januar 2024 wird der Streitwert für das Berufungsverfahren auf 200.000 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Kläger haben in erster Instanz Wertermittlung für Nachlassgrundstücke verlangt und im Wege der Klagerweiterung in zweiter Instanz (Stufenklage) Zahlung von jeweils 1/16 als Zusatzpflichtteil.

Der am … 1940 geborene und am … 2020 verstorbene Erblasser G. S. war seit dem … 1978 in zweiter Ehe mit der Beklagten verheiratet. Der Kläger hatte vier Kinder:

aus erster Ehe:

1. die am … 1961 geborene Klägerin zu 1,

2. den am … 1964 geborenen Kläger zu 2 und

3. den am … 1968 geborenen C. M., geb. S.,

aus zweiter Ehe:

4. den am …1982 geborenen Mx. S..

Mit notariellem Testament vom 17. November 2017 (Anlage B 1 Anlagenband Beklagte) setzte der Erblasser die Beklagte als Alleinerbin ein und bestimmte:

„§ 3 Vermächtnisse

(1) Mein Sohn Mx. S. erhält …

(2) Ferner erhält mein Sohn Mx. S. …

(3) Meine sämtlichen Depotanteile an dem bei der Cx. bestehenden Wertpapierdepots, die wirtschaftlich mir und meiner Ehefrau jeweils hälftig zustehen, sollen dadurch versilbert werden, dass jeweils 50 % der Anteile veräußert werden. Der entstehende Erlös soll meinen Kindern B., Tz. und C. zu je 1/3 ausgezahlt werden. … Das Vermächtnis ist spätestens nach sechs Monaten nach meinem Ableben zur Erfüllung fällig. Die Kosten der Vermächtniserfüllung tragen die Vermächtnisnehmer. Sollte das Depot nicht mehr im Bestand sein, so entfällt dieses Vermächtnis ersatzlos.

(4) …

(5) Meinen ideellen Miteigentumsanteil von ½ an der Immobilie I. 61, … L., nebst anteiligen Darlehen sollen meine Kinder B. und Tz. zu je ½ erhalten. … Das Vermächtnis ist mit meinem Ableben zur Erfüllung fällig. Die Kosten der Vermächtniserfüllung trägt der Vermächtnisnehmer. Sollte das Objekt nicht mehr im Bestand sein, so entfällt das Vermächtnis ersatzlos. …“

Das Grundstück I. 61 in L. wurde im Dezember 2019 verkauft. Aus dem Erlös erhielten die beiden Kläger und C. M. jeweils 200.000 €. Zuvor unterzeichneten der Erblasser, dessen Ehefrau und die drei Kinder des Erblassers aus erster Ehe am 5. Januar 2020 folgende maschinenschriftliche Erklärung (Anlage B 3):

„Vereinbarung über vorgezogene Erbschaft

für B. …, Tz. …, C. …

als Erbnehmer

G. und E. S.

als Erbgeber

G. und E. S. geben den unter Erbnehmer genannten Kindern aus dem Erlös des Hausverkaufs in L. jeweils ein vorgezogenes Erbe von jeweils 200.000 € Wert.

Als Gegenleistung verzichten die Erbnehmer auf ihren gesetzlichen Erbteil für das Grundstück in … Sx. …

Weiter bestätigen die Erbnehmer, in den Jahren 2019 jeweils 200.000 € als vorgezogenes Erbe erhalten zu haben, sodass insgesamt jetzt die Erbnehmer als vorgezogenes Erbe von 400.000 € im Falle des Todes von G. S. anrechenbar ist.“

Am … 2020 verstarb der Erblasser.

Mit nicht vorgelegtem Schreiben vom 3. August 2020 wandten die Kläger sich an die Beklagte, um Auskunft über das Depot zu erhalten, das Gegenstand des Vermächtnisses gemäß § 3 Abs. 3 des Testaments war. Die Beklagte übermittelte mit nicht vorgelegtem Schreiben vom 20. August 2020 eine Saldenbestätigung vom 5. Juni 2020 und kehrte an die drei Kinder des Erblassers aus erster Ehe jeweils 105.556,95 € aus dem Depot aus (= 1/3 von 316.670,85 €, Bl. 17 R d. A.).

Die Kläger erklärten gegenüber der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 25. August 2020 (Anlage K 4, Bl. 18 Anlagenband Kläger), dass die Auskünfte aus dem Schreiben vom 20. August 2020 unzureichend seien und verlangten weitere Auskünfte über eine separate Anlage zum Depot, weitere 2 Seiten zu einer Übersicht der Depotbank und sämtliche Depotauszüge seit dem 6. März 2020 sowie eine aktuelle Liste aller sich im Depot befindlichen Wertpapiere sowie Anleihen nebst Nennwert mit aktuellem Veräußerungswert. Abschließend wiesen sie darauf hin, dass sie die vorgenannten Auskünfte fristgerecht erwarten und die Zahlung von jeweils 105.556,95 € als Teilzahlung ansehen. Nach fruchtlosem Fristablauf werde Auskunftsklage gegen die Beklagte erhoben.

Die Kläger erhobenen Klage gegen die Beklagte vor dem Amtsgericht Hannover zu 417 C 10659/20 und verlangten mit vier Anträgen weitere Angaben zum Depot. Das Amtsgericht wies die Klage mit Urteil vom 30. April 2021 ab (Anlage B 2). Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Beklagte habe hinreichend Auskunft über das Depot erteilt. Es sei nicht ersichtlich, dass Anhaltspunkte bestünden, dass noch weitere Konten des Erblassers dort existierten. Die Kläger hätten keine Verdachtsmomente aufgeführt.

Die Kläger forderten die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 19. Oktober 2021 (Bl. 3 Anlagenband Kläger) auf, für ihren Pflichtteilsanspruch gemäß den gesetzlichen Bestimmungen durch ein notarielles Nachlassverzeichnis über den Umfang des Nachlasses Auskunft zu erteilen.

Die Beklagte antwortete mit Anwaltsschreiben vom 8. November 2021 (Bl. 4 Anlagenband Kläger), dass sie den Auskunftsanspruch vollumfänglich anerkenne.

Im Auftrag der Beklagten erstellte der Notar Dr. J. K. das notarielle Nachlassverzeichnis vom 27. Juni 2022 (Bl. 12 bis 17 Anlagenband Kläger).

Die Kläger waren mit der Bewertung der Nachlassimmobilien in der Auskunft nicht einverstanden und nahmen mit Anwaltsschreiben vom 22. Juli 2022 (Bl. 1 f. Anlagenband Kläger) gegenüber der Beklagten eine eigene Bewertung und Berechnung vor. Die Klägerin zu 1 bezifferte ihren Pflichtteilsergänzungsanspruch auf 154.434, 54 € (= 4.139.993,06 € Nachlasswert x 12,5 % Pflichtteilsquote -363.064,50 € anrechenbarer Beträge). Der Kläger zu 2 bezifferte seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch auf 124.999,13 €, weil er sich einen Betrag von 392.500,00 € anrechnete. Bei Nichtzahlung sei eine Begutachtung der Immobilien auf Kosten des Nachlasses einzuholen (§ 2314 BGB).

Mit der Klage haben die Kläger von der Beklagten verlangt, die fünf im Klagantrag genannten Nachlassimmobilien durch ein Wertgutachten eines unparteiischen Sachverständigen ermitteln zu lassen.

Sie haben geltend gemacht, weder ausdrücklich noch konkludent mit der Forderung eines Vermächtnisses und/oder Annahme der Zahlung der Beklagten auf das Vermächtnis auf ihren Pflichtteilsanspruch verzichtet zu haben. Zum Zeitpunkt der Forderung und Zahlung sei die Höhe des Depots unklar gewesen. Darüber hinaus sei der Wert des Nachlasses insgesamt nach wie vor unklar. Aus dem Schreiben vom 25. August 2020 ergebe sich, dass die Kläger weitere Auskünfte über die Depots gefordert hätten. Letztlich habe die Beklagte selbst mit anwaltlichem Schreiben vom 8. November 2021 einen Auskunftsanspruch der Kläger anerkannt und das notarielle Nachlassverzeichnis vom 27. Juni 2022 vorgelegt. Auf einen konkludenten Pflichtteilsverzicht könne sie sich daher nicht berufen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, ein Anspruch auf Wertermittlung bestehe nicht. Die Kläger hätten ein Wahlrecht auf § 2307 BGB gehabt, ob sie das Vermächtnis annehmen oder es ausschlagen und den Pflichtteil geltend machen. Dieses Wahlrecht hätten sie vorbehaltlos ausgeübt, indem sie ihren Anteil am Wertpapierdepot gefordert und erhalten hätten. Damit stünde allenfalls noch ein möglicher Zusatzpflichtteil im Raum. Mit der vorbehaltlosen Forderung und Annahme des Vermächtnisses hätten sie jedoch konkludent den Verzicht auf einen vermeintlichen Zusatzpflichtteil erklärt. Ein solcher bestünde bei einer Pflichtteilsquote von 1/16 auch deshalb nicht, weil die Kläger entsprechend der Vereinbarung vom 5. Januar 2020 bereits ein vorgezogenes Erbe in Höhe von je 400.000 € erhalten hätten und die Zahlung in Höhe von 105.556,09 € auf das Vermächtnis. Rechtsanwalt Ka. habe für die Kläger im Beurkundungstermin Einverständnis damit erklärt, dass die Wertermittlung für die in den Nachlass fallenden Immobilien auf der Grundlage der Angaben des Gutachterausschusses für Vergleichsobjekte aus den Kaufverträgen der letzten drei Jahre erfolgen solle. Unabhängig von einem Verzicht auf den Zusatzpflichtteil verstoße damit die Forderung nach der Vorlage von Wertermittlungsgutachten gegen Treu und Glauben und das Schikaneverbot aus § 226 BGB.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Kläger könnten keine Wertermittlung nach § 2314 BGB verlangen, weil sie konkludent auf ihren Zusatzpflichtteil nach § 2307 BGB verzichtet hätten. Trotz der Hinweise im Beschluss vom 13. Dezember 2022 (Bl. 38 d. A.) lasse sich ein Vorbehalt für den Zusatzpflichtteil weder dem Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 29. Dezember 2022 noch dem Schreiben vom 25. August 2020 noch den Ausführungen im Termin vom 24. Mai 2023 entnehmen.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Einzelheiten der Senat zur näheren Sachdarstellung verweist, wenden die Kläger sich mit der Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Ziel weiterverfolgen.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, den Wert der im Nachlassbestandsverzeichnis des Notars Dr. J. K. vom 27. Juni 2022 aufgeführten fünf Immobilien des Nachlasses (siehe in der Urteilsformel zu a – e) durch ein Wertgutachten eines unparteiischen Sachverständigen ermitteln zu lassen,

2. im Wege der Stufenklage gemäß Klagerweiterungen vom 23. und 30. Dezember 2023 (Bl. 129 und 132 d. A.) die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger eine Pflichtteilszusatzzahlung in Höhe von jeweils 1/16 des sich aus der vorbehaltenen Wertermittlung ergebenden Nachlasswertes nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen und

3. nach Hinweis des Senatsvorsitzenden mit Schreiben vom 17. Juni 2024 die Sache wegen des Zahlungsantrags an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

B.

Die Berufung ist hinsichtlich des Wertermittlungsanspruchs begründet und hat wegen der Entscheidung über den Zahlungsantrag die Zurückverweisung an das Landgericht zur Folge.

I.

Die Kläger zu 1 und 2 können von der Beklagten gemäß § 2314 BGB die beantragte Wertermittlung für die genannten Grundstücke verlangen.

Nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte, der nicht Erbe ist, vom Erben verlangen, dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird.

1. Pflichtteilsberechtigte im Sinn dieser Vorschrift sind die Kläger zu 1 und 2 als teilweise enterbte Kinder des Erblassers.

2. Die Beklagte ist die Alleinerbin des Erblassers.

3. Der Pflichtteilsanspruch der Kläger zu 1 und 2 ist auf den Zusatzpflichtteil nach § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB beschränkt, weil der Erblasser sie mit einem Vermächtnis bedacht hat und sie das Vermächtnis nicht ausgeschlagen haben.

Hierzu bestimmt § 2307 BGB:

„(1) Ist ein Pflichtteilsberechtigter mit einem Vermächtnis bedacht, so kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er das Vermächtnis ausschlägt. Schlägt er nicht aus, so steht ihm ein Recht auf den Pflichtteil nicht zu, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht; bei der Berechnung des Werts bleiben Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 bezeichneten Art außer Betracht.

(2) Der mit dem Vermächtnis beschwerte Erbe kann den Pflichtteilsberechtigten unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung über die Annahme des Vermächtnisses auffordern. Mit dem Ablauf der Frist gilt das Vermächtnis als ausgeschlagen, wenn nicht vorher die Annahme erklärt wird.“

a) Der Erblasser hat die Kläger zu 1 und 2 durch notarielles Testament vom 17. November 2017 mit dem Vermächtnis bedacht, dass ihnen jeweils ein Drittel des Erlöses als Vermächtnis auszuzahlen ist, das die Veräußerung des Anteils von 50 % erbringt, der dem Erblasser bei Eintritt des Erbfalls an den genannten Depots zustand.

b) Dieses Vermächtnis haben die Kläger zu 1 und 2 nicht ausgeschlagen, sondern mit nicht vorgelegtem Schreiben vom 3. August 2020 von der Beklagten Auskunft über das Depot verlangt, das Gegenstand des vorgenannten Vermächtnisses war. Die Beklagte übermittelte mit nicht vorgelegtem Schreiben vom 20. August 2020 eine Saldenbestätigung vom 5. Juni 2020 und kehrte an die drei Kinder des Erblassers aus erster Ehe jeweils 105.556,95 € aus dem Erlös der Depotveräußerung aus (= 1/3 von 316.670,85 €, Bl. 17 R. d. A.).

Diese Zahlung der Beklagten haben die Kläger zu 1 und 2 jeweils angenommen.

4. Diese Annahme hat zur Folge, dass ihnen „ein Recht auf den Pflichtteil nicht zu(steht), soweit der Wert des Vermächtnisses reicht“ (§ 2307 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB). Als Zusatzpflichtteil können sie von der Beklagten den Betrag verlangen, der nach Abzug des Vermächtnisses als restlicher Pflichtteil verbleibt.

5. Auf diesen Zahlungsanspruch und den vorgelagerten Wertermittlungsanspruch zur Bezifferung des Anspruchs haben die Kläger zu 1 und 2 weder ausdrücklich noch konkludent verzichtet.

a) Nach § 397 Abs. 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt, wobei ein solcher Erlass grundsätzlich formfrei möglich ist (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 397 Rn. 8).

Die Beweislast für den Erlass trägt der Schuldner (Grüneberg/Grüneberg, a. a. O., § 397 Rn. 13 m. w. N.).

„Ein Erlassvertrag (§ 397 BGB) kommt nur zustande, wenn die Parteien darauf gerichtete übereinstimmende Willenserklärungen abgeben. … Hierfür ist … erforderlich, dass … mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, es solle eine materiell-rechtlich wirkende Erklärung abgegeben werden. Insoweit kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Das Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages muss unmissverständlich erklärt werden … An die Feststellung des Verzichtswillens sind strenge Anforderungen zu stellen, er darf nicht vermutet werden … Selbst bei einer eindeutig erscheinenden Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind … Darüber hinaus gilt der Grundsatz, dass empfangsbedürftige Willenserklärungen möglichst nach beiden Seiten hin interessengerecht auszulegen sind“ (BGH, Urteil vom 7. März 2006 zu VI ZR 54/05, zitiert nach juris, dort Rn. 9 f m. w. N., ebenso Urteil des BGH vom 3. Juni 2008 zu XI ZR 353/07, zitiert nach juris, dort Rn. 20).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss gerade bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, das Gebot einer interessengerechten Auslegung beachtet werden, wobei die der Erklärung zugrunde liegenden Umstände besondere Bedeutung haben. Wenn feststeht oder davon auszugehen ist, dass eine Forderung entstanden ist (hier die Entstehung des Pflichtteilsanspruchs mit Eintritt des Erbfalls), verbietet dieser Umstand im allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben. Das bildet in solchen Fällen die Ausnahme. Selbst bei eindeutig erscheinender Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht deshalb nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind. Es sind strenge Anforderungen zu stellen (Urteil des BGH vom 15. Januar 2022 zu X ZR 91/2000 zitiert nach juris, dort Rn. 25 m. w. N.).

Bei der Annahme eines stillschweigenden Verzichts auf den Pflichtteilsanspruch ist generell Zurückhaltung geboten (Urteil des OLG Düsseldorf vom 9. Juli 2021 zu 7 U 110/20, zitiert nach juris, dort Rn. 30 ff.).

b) Die Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Parteien einen solchen Verzichtsvertrag konkludent geschlossen haben.

Dem vorgetragenen Sachverhalt kann nicht entnommen werden, dass die Kläger gegenüber der Beklagten durch ihr Verlangen auf Vermächtniserfüllung und Annahme der Zahlung der Beklagten dieser gegenüber zum Ausdruck gebracht haben, darüber hinaus keinen Zusatzpflichtteil zu verlangen.

Ein solches Angebot zum Abschluss eines Erlassvertrages folgt nicht aus der Annahme des Landgerichts und der Beklagten, die Kläger wären verpflichtet gewesen, sich bei Annahme des Vermächtnisses die Geltendmachung des restlichen Pflichtteilsanspruchs vorzubehalten. Das Gesetz enthält in § 2307 Abs. 1 BGB keine Verpflichtung des Pflichtteilsberechtigten, sich den Zusatzpflichtteil vorzubehalten, sondern die gesetzliche Regelung beschränkt sich darauf, dass der Pflichtteilsberechtigte, der mit einem Vermächtnis bedacht ist, den Pflichtteil verlangen kann, wenn er das Vermächtnis ausschlägt, und dass für den Fall, dass er das Vermächtnis nicht ausschlägt, ihm ein Recht auf den Pflichtteil nicht zusteht, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht. Eine Vorbehaltserklärung sieht das Gesetz nicht vor, sondern das Recht des „mit dem Vermächtnis beschwerte(n) Erbe(n) … den Pflichtteilsberechtigten unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung über die Annahme des Vermächtnisses auf(zu)fordern“ (§ 2307 Abs. 2 BGB). Daher kann der These, in der vorbehaltlosen Forderung des Vermächtnisses könne oft Verzicht auf den Zusatzanspruch gesehen werden, weil nach dem Erbfall Verzicht formlos möglich sei (so aber Grüneberg/Weidlich a. a. O. § 2307 Rn. 2), in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden, sondern es sind die allgemeinen Grundsätze zur Feststellung eines Verzichts zu berücksichtigen.

Auch ansonsten liegen keine besonderen Umstände vor, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Kläger hätten gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht, auf den Zusatzpflichtteil zu verzichten. Das Testament des Erblassers enthält keine Angabe, dass der Anspruch der Kläger auf das Vermächtnis nur besteht, wenn sie auf den Zusatzpflichtteil verzichten, oder dass das Vermächtnis an die Stelle des Pflichtteils treten soll (vgl. auch Staudinger/Otte (2021) BGB § 2307 Rn. 19 f.).

Ferner ist nicht vorgetragen, dass der Schriftwechsel der Parteien eine Angabe enthält, die die Annahme eines Verzichtes rechtfertigt. Vielmehr war den Klägern zunächst sowohl der Wert des Depots als auch der Wert des übrigen Nachlasses unbekannt, weil eine sachverständige Bewertung des umfangreichen Grundbesitzes nicht erfolgt ist.

Der Zeitablauf zwischen der Annahme des Vermächtnisses und dem Pflichtteilsverlangen, worauf die Beklagte vor dem Senat nochmals hingewiesen hat, reicht – wie bereits ausgeführt – nicht aus, um einen stillschweigenden Verzicht anzunehmen.

c) Im Übrigen fehlt es nach dem vorgetragenen Sachverhalt an einer Annahmeerklärung der Beklagten. Sie hat das Verhalten der Kläger weder als Angebot auf Abschluss eines Verzichtsvertrages verstanden, noch ist sie von einem Zustandekommen eines solchen Verzichtsvertrages ausgegangen, sondern hat auf die Aufforderung der Kläger vom 19. Oktober 2021 mit Anwaltsschreiben vom 8. November 2021 geantwortet, dass sie den Auskunftsanspruch vollumfänglich anerkenne, also das notarielle Nachlassverzeichnis in Auftrag geben werde.

4. Der weitere Einwand der Beklagten, die Kläger hätten vorgerichtlich auf die Wertermittlung „konkludent verzichtet“ (Bl. 127 d. A. i. V. m. Bl. 36 f. d. A.), ist unerheblich.

Der Vortrag der Beklagten beschränkt sich auf die von den Klägern bestrittene (Bl. 59 R d. A.) Behauptung, beim Termin vom 8. Juni 2022 in der Kanzlei des Notars K. habe Rechtsanwalt Ka. im Rahmen des Vorgesprächs hinsichtlich der aufzunehmenden Immobilienwerte bestätigend geäußert, er wolle der Beklagten die Einholung von teuren Sachverständigengutachten ersparen. Sie hat aber nicht vorgetragen, dass die Parteien einen Verzichtsvertrag geschlossen haben. An einen solchen Verzicht sind strenge Anforderungen zu stellen (s. o.). Eine Annahmeerklärung der Beklagten wird nicht behauptet.

In der notariellen Urkunde vom 27. Juni 2022 sind der Termin vom 8. Juni 2022 und die Beteiligung des Rechtsanwalts Ka. dargestellt, nicht aber eine Einigung auf einen Verzicht.

5. Ein Wertermittlungsanspruch für das Grundstück in Sx. entfällt nicht aus dem Grund, dass die Vereinbarung vom 5. Januar 2020 (Anlage B 3) die Erklärung enthält:

„Als Gegenleistung verzichten die Erbnehmer auf ihren gesetzlichen Erbteil für das Grundstück in … Sx. … „

Es fehlt an der notariellen Beurkundung (§§ 2346, 2348 BGB).

II.

Die im Berufungsverfahren erfolgte Klageerweiterung ist zulässig.

1. Es liegt keine Klagänderung, sondern nur eine Klagerweiterung vor, weil die Kläger den vorbereitenden Wertermittlungsanspruch erster Instanz im Wege der Stufenklage mit dem unbezifferten Zahlungsantrag verbunden haben.

Für die prozessuale Zulässigkeit gilt (Urteil des BGH vom 9. Oktober 1974 zu IV ZR 164/73, bei juris Rn. 33 – 35):

„Entgegen der Ansicht der Revision bedurfte es bei dem Zahlungsanspruch weder eines bestimmten Klageantrages noch handelte es sich um eine Klageänderung. Eine Stufenklage, wie sie nunmehr vorlag, erlaubt als Ausnahme zu § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in der letzten Stufe einen zunächst unbestimmten Antrag. …

Der Anspruch auf Rechnungslegung soll den Leistungsanspruch im allgemeinen nur vorbereiten. Wenn die Klägerin daher auf derselben tatsächlichen und rechtlichen Grundlage vom Rechnungslegungs- auch zum Zahlungsanspruch überging, so strebte sie nunmehr unmittelbar das Ziel an, das sie bisher mittelbar zu erreichen versucht hatte. Daher kann der Übergang von der Rechnungslegungs- zur Zahlungsklage nur als bloße Klageerweiterung angesehen werden, die sowohl im ersten als auch im zweiten Rechtszug zulässig ist (BGH NJW 1969, 1486).“

2. Aber selbst wenn man eine Klagänderung annimmt, hält es der Senat für sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO), dass die Frage des Zusatzpflichtteils abschließend im vorliegenden Rechtsstreit geklärt und keine Zahlungsklage der Kläger in einem weiteren Rechtsstreit erforderlich wird. Die Stufenklage ist für diese Fallkonstellation angemessen.

Die Formulierung des unbezifferten Zahlungsantrags („Pflichtteilszusatzzahlung“) bringt hinreichend zum Ausdruck, dass nicht Zahlung von 1/16 des Nachlasswertes, sondern nur 1/16 als Zusatzpflichtteil, also nach Abzug der erhaltenen Vermächtniszahlung verlangt wird.

Es kann zurzeit nicht festgestellt werden, dass den Klägern trotz dieser Vermächtniszahlung und trotz der anzurechnenden Leistung des Erblassers zu Lebzeiten kein Zusatzpflichtteil verbleibt, weil dies von der Bewertung der Grundstücke abhängt, also von der ausstehenden Wertermittlung.

III.

Nach Hinweis des Senatsvorsitzenden mit Schreiben vom 17. Juni 2024 haben die Kläger die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht beantragt.

IV.

Daher war die Sache in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO wegen der Entscheidung über den Zahlungsantrag an das Landgericht zurückzuverweisen, das über die Zahlungsstufe zu entscheiden hat, weil die Sachlage dem Grundurteil vergleichbar ist (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 35. Auflage 2024, Rn. 47 f. m. w. N. und Urteil des BGH vom 9. Oktober 1974 zu IV ZR 164/73, zitiert nach juris, dort Rn. 36) :

„… Denn rechtshängig wurde der Zahlungsanspruch hier erst beim Berufungsgericht und dieses mußte sich mit ihm befassen. Sachlich aber konnte das Berufungsgericht über diesen Anspruch nicht entscheiden. Denn wenn auch mit der Klage auf Rechnungslegung die Zahlungsklage verbunden werden kann, so ist eine Entscheidung über den Zahlungsanspruch immer erst möglich, wenn Rechnung gelegt ist. Daher muß bei der Stufenklage über die Ansprüche getrennt und nacheinander verhandelt und entschieden werden (vgl. BGHZ 10, 385 für den Fall der Verurteilung zur Leistung des Offenbarungseides). Mit Recht hat daher das Berufungsgericht in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (a.F.) das Verfahren so behandelt, als wenn der Rechtsstreit wegen des Zahlungsanspruches in erster Instanz rechtshängig geblieben wäre und das Landgericht ein Teilurteil über den Rechnungslegungsanspruch erlassen hätte. Zwar sieht § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eine solche Zurückverweisung durch das Berufungsgericht nur für den Fall eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruches vor. Die Übertragung dieser Bestimmung auf die Stufenklage ist jedoch aus Gründen der Rechtsähnlichkeit geboten. Denn bei dem noch ausstehenden Zahlungsanspruch handelt es sich in Wirklichkeit um ein Betragsverfahren nach Art der §§ 304, 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, so daß die Erwägung, aus der heraus der § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bei Vorabentscheidung über den Grund des Anspruchs durch den Erstrichter die Zurückverweisung an ihn vorsieht, auch hier durchgreift. Das entspricht nicht nur einer verfahrensrechtlichen Zweckmäßigkeit, sondern vermeidet auch eine für die Klägerin durch den Verlust eines Rechtszuges für ihren Zahlungsanspruch verbundene Unbilligkeit (RGZ 169, 127, 129; OLG Celle NJW 1961, 786; Stein/Jonas Komm. zur ZPO 19. Aufl., § 254 Anm. III.6.; Baumbach/Hartmann ZPO 32. Aufl., § 254 Anm. 3) B; Rosenberg, Lehrbuch 10. Aufl., § 141 IV c. a.E. S 741).“

V.

Über die Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht zu entscheiden, weil diese Entscheidung vom Ergebnis der Zahlungsstufe abhängt.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren war aufgrund der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25. Juni 2024 genannten Zahlungserwartung auf 200.000 € festzusetzen.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO).

 


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