LG Bielefeld – Az.: 2 O 291/15 – Urteil vom 29.04.2016
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche aufgrund eines Erbfalls geltend.
Die Klägerin ist die Tochter des verstorbenen Herrn I. S., der in zweiter Ehe mit der am 26.02.2015 verstorbenen M. S. (im folgenden Erblasserin) verheiratet war. Bei den Beklagten zu 1) und 2) handelt es sich um die Töchter der Erblasserin aus erster Ehe. I. S. hatte mit der Erblasserin am 30.01.1995 bei dem Notar L. H. ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Nach diesem setzten sich die Eheleute zunächst wechselseitig als Vollerben ein, Schlusserbe des letztlebenden sollten die Klägerin und die Beklagten zu 1) und 2) sein. Der Erbanteil sollte dabei jeweils bei 1/3 liegen. § 2 Abs. 4 des gemeinsamen Testaments lautet wie folgt:
„Der Letztlebende von uns soll nach dem Tod des Erstversterbenden zur Abänderung dieses Testamentes unbeschränkt berechtigt sein.“
Wegen des weiteren Inhalts des gemeinschaftlichen Testaments wird auf das gemeinschaftliche Testament der Eheleute (Anl. K1, Bl. 7 ff. der Akte) Bezug genommen.
Nach dem Tod von I. S. im Jahr im Jahr 2001 war die Erblasserin Alleineigentümerin des Hausgrundstücks I. xx in S.. Mit notariellen Kaufvertrag vom 28.10.2014 verkaufte sie das Grundstück an den Beklagten zu 3) zu einem Kaufpreis von 76.000,00 EUR. Der Kaufvertrag wurde von der Stadtsparkasse S. finanziert, welche sich eine Grundschuld i.H.v. 105.000,00 EUR im Grundbuch eintragen ließ. Anhand der hohen Grundschuld lasse sich erkennen, dass die Klägerin das Grundstück unter Wert verkauft habe und somit eine Teilschenkung vorliegen könnte. Das Grundstück wurde an den Beklagten zu 3) übereignet. Ferner schloss die Erblasserin mit der Stadtsparkasse S. einen Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall über die Zahlung von 65.204,00 EUR an die Beklagten zu 1) und 2). Zum Zeitpunkt des Erbfalls befand sich im Vermögen der Erblasserin außerdem ein Girokonto bei der Stadtsparkasse S. mit der Kto.-Nr. xxx, dass ein Kontostand i.H.v. 7942,00 EUR aufwies.
Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten bewusst und gewollt gemeinschaftlich auf die Erblasserin eingewirkt um sie zu den Verfügungen zu ihren Gunsten zu bewegen. Zum Inhalt der Verfügungen und insbesondere für die Vornahme in solcher Eile habe die Erblasserin kein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse gehabt. Dafür spreche schon, dass die Verfügungen lebensfremd sein und in kurzen zeitlichen Zusammenhang vorgenommen worden sein. Ziel der Vermögensverschiebungen sei es gewesen die Klägerin zu benachteiligen, die ansonsten ja zu 1/3 Erbin geworden wäre.
Sie beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, einer Grundbuchberichtigung in Bezug auf das Hausgrundstück I. xx, S., Grundakten des Grundbuchamts für L. Bl. xxx beim Amtsgericht S., insoweit zuzustimmen, dass die Klägerin zusammen mit dem Beklagten zu 1) und 2) zu je 1/3 Miteigentümerin anstelle des Beklagten zu 3) unter Löschung der eingetragenen Grundschuld für die Stadtsparkasse S. sind.
Hilfsweise beantragt sie, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 20.000,00 EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, dass es aufgrund der Kosten für die Beerdigung und die Grabpflege keinen verteilungsfähigen Nachlass mehr gebe. Insgesamt seien Beerdigungskosten und weitere Nachlasskosten und -verbindlichkeiten i.H.v. 5931,46 EUR angefallen, zuzüglich der noch entstehenden Kosten für die Grabpflege, die von den Beklagten auf etwa 9000,00 EUR geschätzt werden. Eine Beeinflussung der Erblasserin durch die Beklagten habe nicht stattgefunden. Vielmehr habe dieser alle Entscheidungen aus eigenem Willen getroffen. Aufgrund der Pflegeleistungen die die Beklagten zu 1) und 2) erbracht hätten, habe ein anerkennenswertes Eigeninteresse der Erblasserin bestanden ihnen Vermögen zuzuwenden. Bei der Übereignung des Hauses an den Beklagten zu 3) handele sich nicht um eine Schenkung. Das Haus sei von der Erblasserin und dem vorverstorbenen Ehemann seit der Errichtung sehr vernachlässigt worden und deswegen in schlechtem Zustand gewesen. Daher sei es notwendig, aufwändige Sanierungen vorzunehmen, für die Kosten in Höhe von ca. 50.000,00 EUR entstehen würden. Der Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall sei bereits im Jahr 2005 abgeschlossen worden, nicht erst 2015.
Weiter sind sie der Ansicht, dass die Klägerin keine Ansprüche aus § 2287 BGB geltend machen könne. § 2287 sei nur entsprechend auf bindend gewordene gemeinschaftliche Testamente anwendbar. Laut § 2 Abs. 4 des gemeinschaftlichen Testaments war die Erblasserin zur Abänderung des Testamentes unbeschränkt berechtigt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten keinen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 2287 BGB.
Gemäß § 2287 BGB kann der Vertragserbe von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks verlangen, wenn der Erblasser die Schenkung in der Absicht getätigt hat, den Vertragserben zu beeinträchtigen. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass diese Vorschrift zu Gunsten des in einem gemeinschaftlichen Testament bindend eingesetzten Erben entsprechend anzuwenden ist (OLG Hamm, Urteil vom 09. Januar 2014 – I-10 U 10/13, 10 U 10/13 -, juris; BGH, Urteil vom 26. November 1975 – IV ZR 138/74 -, BGHZ 66, 8-17).
Es ist bereits fraglich, ob die Übereignung des Grundstücks an den Beklagten zu 3) eine Schenkung darstellt. Diese Frage kann letztendlich offenbleiben, da § 2287 BGB nicht anwendbar ist. Es fehlt an einer erbrechtlichen Bindung der Erblasserin gemäß § 2271 BGB. Grundsätzlich tritt mit dem Tod eines Ehegattens bei Bestehen eines wirksamen gemeinschaftlichen Testaments eine Bindungswirkung ein, welche dazu führt, dass die Testierfreiheit des Überlebenden beeinträchtigt wird und er grundsätzlich gehindert ist, die Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament zu widerrufen oder beeinträchtigend neu zu verfügen (Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 2271 Rn. 9). Der Letztlebende kann von der Bindungswirkung befreit werden, beispielsweise durch die Vereinbarung eines Änderungsvorbehalts (Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 2271 Rn. 16,20). Vorliegend haben die Parteien in § 2 Abs. 4 des gemeinschaftlichen Testaments einen solchen Änderungsvorbehalt vereinbart. Der Letztlebende sollte zu Abänderungen des Testaments unbeschränkt berechtigt bleiben. Aus diesem Grund ist für die Anwendung von § 2287 BGB kein Raum.
II.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch gegenüber den Beklagten wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB.
Es gelingt ihr nicht, substantiiert darzulegen, dass eine sittenwidrige Schädigung durch die Beklagten vorgenommen worden ist. Darauf hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2016 hingewiesen.
Sittenwidrig ist nach der Rechtsprechung eine Handlung, die nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch die zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, also mit den grundlegenden Wertungen der Rechts und Sittenordnung nicht vereinbar ist (BGH NJW-RR 2013,550 [551]). Eine solche Handlung ist hier unter Würdigung des Gesamtcharakters der Verfügungen nicht erkennbar. Die Klägerin legt bereits nicht da, in welcher Art und Weise die Beklagten Einfluss auf die Erblasserin genommen haben sollen und inwiefern sich diese auf die Erblasserin ausgewirkt haben soll. Dabei kann nach dem Gesamtcharakter der Handlungen auch keine Sittenwidrigkeit erkannt werden. Entgegen des Vortrags der Klägerin hat die Erblasserin den Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall mit der Stadtsparkasse S. nicht abgeschlossen, um zu verhindern, dass die Klägerin einen Teil des Kaufpreises für das Haus als Erbe bekommt. Der Vertrag mit der Stadtsparkasse S. wurde, wie aus den Vertragsunterlagen ersichtlich, bereits im Jahr 2005 geschlossen. Der Grundstückskaufvertrag mit dem Beklagten zu 3) wurde erst am 28.10.2014 abgeschlossen. Ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Verträgen kann somit nicht festgestellt werden. Insbesondere kann daraus auch nicht abgeleitet werden, dass die Verträge gerade dazu abgeschlossen wurden, um die Klägerin zu schädigen. Zu dem Zeitpunkt zu dem der Vertrag zu Gunsten Dritter zu Gunsten der Beklagten zu 1) und 2) abgeschlossen worden ist, konnten diese noch nicht wissen, dass die Erblasserin später das Grundstück verkaufen würde. Insoweit kann eine sittenwidrige Einflussnahme beim Abschluss dieses Vertrages nicht bejaht werden.
Auch bezüglich des Verkaufs des Grundstücks der Erblasserin legt die Klägerin nicht substantiiert dar, worin genau eine sittenwidrige Einwirkung der Beklagten auf die Erblasserin gelegen haben soll und warum die Erblasserin auf diese Einwirkungen eingegangen sein soll. Es wird nicht vorgetragen, woraus sich ergeben soll, dass der Notar allein auf Veranlassung der Beklagten tätig geworden ist und nicht aufgrund des Willens der Erblasserin. Daher kann insoweit ebenfalls nicht festgestellt werden, dass eine sittenwidrige Schädigung durch die Beklagten vorliegt.
III.
Der Hilfsantrag der Beklagten ist aus den oben genannten Gründen ebenfalls unbegründet.
IV.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.