I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim – 10 O 34/12 – vom 18. Oktober 2019 im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Auf die Widerklage des Beklagten hin wird festgestellt, dass die Klägerin Erbin (erst) aufgrund der letztwilligen Verfügung des Erblassers G. G. vom 23.06.2008 geworden ist und nicht (schon) aufgrund des Erbvertrages vom 07.02.1977, beurkundet durch das Notariat M., durch Herrn Notar P..
II. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Gestützt auf ihre Einschätzung, sie sei (bereits) als Vertragserbe alleinige Rechtsnachfolgerin ihres am 17. August 2011 verstorbenen Vaters G. G. (nachfolgend nur: „der Erblasser“) geworden, nimmt die aus der ersten Ehe des Erblassers hervorgegangene Klägerin den Beklagten – dabei handelt es sich um ihren Halbbruder, welcher aus der dritten Ehe des Erblassers stammt – in erster Linie auf Herausgabe sowie dingliche Übertragung von zwei in der erstinstanzlichen Entscheidung näher bezeichneten Eigentumswohnungen (Nr. 1 sowie Nr. 4) in Anspruch. Hilfsweise hat sie im ersten Rechtszug (ausschließlich) ein Zahlungsbegehren geltend gemacht, wobei sie dieses (der Höhe nach in begrenztem Umfang) auch auf eine schenkungsbedingte Schmälerung ihres Pflichtteils gegründet hat, während sie in der Berufungsverhandlung nach einem entsprechenden Hinweis des Senats insoweit eine Verurteilung des Beklagten zur Duldung der Zwangsvollstreckung anstrebt. Mit der von ihm erhobenen Widerklage will der Beklagte festgestellt wissen, dass die Klägerin nicht aufgrund des betreffenden Erbvertrages, aus welchem sie ihre Rechtsstellung herzuleiten sucht, alleinige Erbin des Erblassers geworden ist, sondern erst aufgrund einer später errichteten letztwilligen Verfügung desselben.
In der Hauptsache hat das Landgericht dem vornehmlich geltend gemachten Herausgabeverlangen hinsichtlich der Eigentumswohnung Nr. 4 unter einer Zug-um-Zug-Einschränkung stattgegeben, während es die weitergehende Klage ebenso abgewiesen hat wie die Widerklage. Wegen der tatsächlichen Feststellungen, des streitigen Vorbringens der Parteien, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der Entscheidungsgründe wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Berufung beider Parteien, welche jeweils unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung grundsätzlich ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen, sieht man von der oben bereits erwähnten Ausnahme des von der Klägerin nunmehr hilfsweise partiell geltend gemachten Duldungsbegehrens ab.
Zur Begründung seiner Berufung hat der Beklagte im Wesentlichen ausgeführt:
Entgegen der Einschätzung des erstinstanzlichen Gerichts sei in dem Erbvertrag vom 7. Februar 1977, welchen der Erblasser mit seiner zweiten Ehefrau geschlossen habe (im Weiteren nur: „der gegenständliche Erbvertrag“), keine vertragsmäßige Erbeinsetzung der Klägerin erfolgt. Dies ergebe sich vor allem aus dem Inhalt der zwischen diesen Beteiligten getroffenen Scheidungsfolgenvereinbarung vom 3. Februar 1977 (nachfolgend nur: „die Scheidungsfolgenvereinbarung“), welche am gleichen Tag wie die Errichtung des Erbvertrages notariell beurkundet worden sei und daher auch bei dessen Auslegung in besonderem Maße berücksichtigt werden müsse. In der Scheidungsfolgenvereinbarung habe sich der Erblasser gegenüber seiner zweiten Ehefrau nämlich lediglich dazu verpflichtet, in rechtsverbindlicher notarieller Form das Erbrecht der aus dieser Ehe hervorgegangenen Tochter, S. G., abzusichern. Ein Interesse bzw. eine Absicht, darüber hinaus auch die beiden – in der zuletzt genannten Urkunde namentlich nicht einmal erwähnten – Kinder aus der ersten Ehe des Erblassers erbvertragsmäßig zu bedenken, hätten die Vertragsschließenden dagegen nicht besessen. Abgesehen davon, dass ohnehin nicht auf den reinen Wortlaut des Erbvertrages abgestellt werden könne, sei dieser entgegen der Einschätzung des erstinstanzlichen Gerichts mitnichten eindeutig, weise er doch einen Wechsel von Singular und Plural auf: Zwar treffe es zu, dass darin auch von „vertragsmäßigen Bestimmungen“ die Rede sei. Die unmittelbar unter der abgesetzten Erbeinsetzung der S. G. enthaltene Passage („Diese Erbeinsetzung wird vertragsmäßig getroffen…“) lasse es jedoch schon vom reinen Wortsinn her fraglich erscheinen, ob damit auch die Erbeinsetzung der beiden zuvor aufgeführten Kinder des Erblassers gemeint gewesen sei. Vor allen Dingen gehe aber die Annahme des Landgerichts fehl, dass eine erbvertragsmäßige Absicherung der S. G. nur dann habe erfolgen können, wenn die Erbeinsetzung aller drei Kinder einer Abänderung nicht mehr zugänglich gewesen und somit insgesamt in vertragsmäßiger Weise erfolgt sei. Die daran anknüpfende Erwägung des Landgerichts, anderenfalls hätte der Erblasser sonstige Personen durch Verfügung von Todes wegen bedenken können, mit der Folge, dass S. G. womöglich Pflichtteilsansprüchen der Klägerin und/oder ihres gleichfalls aus der ersten Ehe des Erblassers stammenden Bruders ausgesetzt gewesen wäre, sei nicht tragfähig. In diesem Fall wären nämlich die anstelle der Klägerin und ihres Bruders eingesetzten Erben nach § 2320 Abs. 2 BGB verpflichtet gewesen, die Pflichtteilsansprüche voll umfänglich zu tragen, was in der angefochtenen Entscheidung übersehen worden sei. Ferner habe das erstinstanzliche Gericht verkannt, dass die Klägerin die Vertragsmäßigkeit der Verfügung als Voraussetzungen eines von ihr geltend gemachten Anspruchs aus § 2287 BGB zu beweisen habe. Der betreffende Nachweis lasse sich auch deshalb nicht führen, weil eine enge Beziehung und Bindung der zweiten Ehefrau des Erblassers zu ihren beiden Stiefkindern gerade nicht bestanden habe, was sich in anschaulicher Weise den eigenen, schriftlich niedergelegten Schilderungen des Erblassers entnehmen lasse. Diese zur Akten gereichten Unterlagen (vgl. insbesondere Anlage B 39) seien vom Landgericht bei der Auslegung gleichfalls unberücksichtigt geblieben. Dass die zweite Ehefrau des Erblassers keine persönlichen Bindungen zu ihren beiden Stiefkindern gehabt habe, werde auch durch ihre als Anlage B 50 dokumentierte Reaktion auf die gerichtliche Zeugenladung untermauert.
Billige man der Klägerin gleichwohl eine vertragsmäßige Position zu, könne sich diese nur auf die Höhe der ausdrücklich angeordneten Erbquote von einem Drittel beziehen, während eine derartige Bindung hinsichtlich des ihr ersatzweise angewachsenen Erbteils gerade nicht angenommen werden könne. Anerkanntermaßen folge aus einer Ersatzerbenstellung kein Anwartschaftsrecht. Zu dem gleichen Ergebnis führe im Übrigen eine weiterhin zu erwägende ergänzende Auslegung des Erbvertrages, zumal die festgelegten Erbquoten auch durch das Hinzutreten weiterer Abkömmlinge des Erblassers nicht einer Änderung hätten unterliegen sollen. Eine durch Anwachsung bzw. durch die Erbausschlagung ihrer Halbschwester S. G. bedingte Erhöhung der Erbquote der Klägerin sei mit der vertraglichen Schutzwirkung des § 2287 BGB ohnehin unvereinbar.
Unabhängig davon sei der Erbvertrag aus mehreren Gründen unwirksam. Soweit das Landgericht eine aus §§ 2302, 139 BGB folgende Nichtigkeit des Erbvertrages verneint habe, erweise sich die Urteilsbegründung als nicht haltbar. Entgegen der Einschätzung des erstinstanzlichen Gerichts komme es für eine Heranziehung des § 139 BGB nicht darauf an, ob die zweite Ehefrau des Erblassers in jedem Fall einen wirksamen Erbvertrag gewünscht hätte, maßgebend sei vielmehr, ob ein Einheitlichkeitswille der Parteien bezüglich beider Rechtsgeschäfte – dem gegenständlichen Erbvertrag und der Scheidungsfolgenvereinbarung – bestanden habe, was anhand des objektiven Sinnzusammenhangs beurteilt werden müsse. Dabei reiche es aus, wenn nur eine Vertragspartei einen solchen Willen aufzeige und die andere Partei ihn kenne bzw. zumindest hinnehme. Unter Berücksichtigung dessen sei ein Einheitlichkeitswille unzweifelhaft gegeben, was nicht nur durch den engen zeitlichen Zusammenhang der beiden Rechtsgeschäfte, sondern vor allen Dingen dadurch belegt werde, dass der gegenständliche Erbvertrag das Erfüllungsgeschäft der Scheidungsfolgenvereinbarung darstelle. Selbst wenn man unterstelle, dass der Erblasser die Scheidungsfolgenvereinbarung auch ohne den Erbvertrag unterschrieben hätte, wäre dies bei seiner zweiten Ehefrau nicht der Fall gewesen. Letztere hätte die Scheidungsfolgenvereinbarung nicht unterzeichnet, wenn vom Erblasser die Errichtung des Erbvertrages abgelehnt worden wäre.
Zu Unrecht habe das Landgericht auch eine durch Sittenwidrigkeit bedingte Unwirksamkeit des gegenständlichen Erbvertrages (§ 138 BGB) abgelehnt. Nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen, die vom BGH übernommen worden seien, müsse – was in der Berufungsbegründungsschrift näher ausgeführt wird – sowohl in objektiver wie in subjektiver Hinsicht vom Vorliegen einer Imparität ausgegangen werden.
Darüber hinaus sei der gegenständliche Erbvertrag jedenfalls infolge Anfechtung rückwirkend nichtig geworden. Beim Erblasser habe – auch dazu finden sich in der Berufungsbegründung nähere Darlegungen – in mehrfacher Hinsicht ein beachtlicher Rechtsirrtum und damit ein anfechtbarer Motivirrtum vorgelegen: Nicht nur über die Bindungswirkung des gegenständlichen Erbvertrages und deren Reichweite habe er geirrt, sondern er sei – in Unkenntnis der Bestimmung des § 2302 BGB – auch der Fehlvorstellung erlegen, aufgrund der Scheidungsfolgenvereinbarung zum Abschluss des gegenständlichen Erbvertrages verpflichtet gewesen zu sein.
Ferner sei dem gegenständlichen Erbvertrag die Geschäftsgrundlage entzogen. Da der Erblasser auf die – tatsächlich nicht bestehende – Wirksamkeit der in der Scheidungsfolgenvereinbarung enthaltenen, mit § 2302 BGB unvereinbaren Verpflichtung vertraut habe, führe dies auch zu einer Nichtigkeit des darauf basierenden gegenständlichen Erbvertrages. Denn eine Anpassung desselben sei nicht mehr möglich.
Schließlich erweise sich der gegenständliche Erbvertrag auch deshalb als nichtig, weil der Erblasser bei dessen Abschluss nicht testier- bzw. geschäftsfähig gewesen sei. Die vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen seien unzureichend. Trotz zwei sich widersprechender Gutachten zur Frage einer bereits ab 1976 vorliegenden, mindestens bis in das Jahr 1978 fortdauernden Geschäftsunfähigkeit des Erblassers habe es das erstinstanzliche Gericht versäumt, ein Obergutachten einzuholen, was vom Beklagten in der Berufungsbegründung näher aufgezeigt wird.
Soweit das Landgericht der Klägerin in Bezug auf die Eigentumswohnung Nr. 4 einen Anspruch gegen ihn aus § 2287 BGB zuerkannt habe, halte die angefochtene Entscheidung aber auch aus anderen Gründen einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Aufgrund beträchtlicher Gegenleistungen sei die betreffende Zuwendung an ihn nicht als Schenkung anzusehen. Entgegen der Einschätzung des Landgerichts sei es möglich, zunächst unentgeltliche erbrachte Leistungen einvernehmlich rückwirkend in ein entgeltliches Rechtsgeschäft umzuwandeln. Wie bereits im ersten Rechtszug unter Beweisantritt vorgetragen, habe er – obwohl er damals noch nicht volljährig gewesen sei – zahlreiche, im Einzelnen näher dargelegte (AS II 142 – 148) Arbeiten für den insbesondere schriftstellerisch tätig gewesenen Erblasser verrichtet, und zwar (zunächst) bis in das Jahr 2001. Bei Abschluss des Übergabevertrages im Juni 2002 habe er in der Vergangenheit für den Erblasser insgesamt Leistungen in einer wertmäßigen Größenordnung von ca. 57.400 EUR erbracht. Soweit das Landgericht die von ihm vorgetragenen Tätigkeiten als nicht berücksichtigungsfähig erachtet habe, weil darin angeblich ein Verstoß gegen das Beschäftigungsverbot in § 5 JArbSchG liege, sei diese Erwägung unzutreffend. Abgesehen davon, dass das vorbezeichnete Gesetz ohnehin nicht anwendbar sei, liefe eine derartige Beurteilung dem Schutzzweck der Norm zuwider. Ferner spreche die Vorschrift des § 2057a BGB gegen die vom Landgericht vertretene Auffassung. Ebenso seien die – aus damaliger Sicht, bei Abschluss des Übergabevertrages im Juni 2002 für die Zukunft vereinbarten – weiteren Gegenleistungen zu berücksichtigen (AS II 150 ff.). Dies gelte insbesondere für seine gegenüber dem Erblasser eingegangene Pflegeverpflichtung. Mit seinem Vater habe er sich damals dahingehend verständigt, dass er seinen Zivildienst in W. im Altenheim in der Nähe der Wohnung des Erblassers ableiste. Unter Berücksichtigung der damaligen statistischen Lebenserwartung des Erblassers sei die vereinbarte Pflegeleistung mit insgesamt 86.688 EUR zu bewerten. Für die von ihm weiterhin als Gegenleistung übernommenen Tätigkeiten „um Haus und Hof“ in der Zeitspanne 2002 – 2011 sei ein Wert von 32.640 EUR zu veranschlagen. Schließlich habe die Zuwendung im Juni 2002 auch als Ausgleich für die vom Erblasser vereinnahmte Lebensversicherung – welche ursprünglich für ihn, den Rechtsmittelführer, bestimmt gewesen sei – gedient. Wertmäßig seien dafür ca. 50.000 EUR in Ansatz zu bringen. Berücksichtige man schließlich noch die Einräumung des Nießbrauchs zu Gunsten des Erblassers, sei von einer Vollentgeltlichkeit der Zuwendung auszugehen.
Gelange man dennoch zu der Bewertung, dass die Übertragung bezüglich der Eigentumswohnung Nr. 4 durch den Erblasser auf ihn als (ggf. partiell) unentgeltlich einzustufen sei, scheitere ein Anspruch aus § 2287 BGB außerdem daran, dass die subjektiven Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt (gewesen) seien. Die betreffende Zuwendung habe der Erblasser nicht in Beeinträchtigungsabsicht getätigt; ein Missbrauch seiner lebzeitigen Verfügungsbefugnis könne nicht angenommen werden. Die bindungsbedingte vertragliche Schutzwirkung für die begünstigte Klägerin müsse als gering veranschlagt werden, da es sich bei dem gegenständlichen Erbvertrag um ein unentgeltliches Rechtsgeschäft handele, welches ausschließlich den Erblasser belastet habe. Entgegen der Einschätzung des erstinstanzlichen Gerichts sei auch ein lebzeitiges Verfügungsinteresse des Erblassers zu bejahen. Soweit das Landgericht seine gegenteilige Einschätzung darauf gestützt habe, dass zum Zeitpunkt der Übertragung bezüglich der Eigentumswohnung Nr. 4 kein Sicherungsbedürfnis des Beklagten mehr bestanden habe, da dieser zuvor bereits (insbesondere in Gestalt der Eigentumswohnung Nr. 1) genügend Vermögen vom Erblasser erhalten gehabt habe, erweise sich diese Begründung in rechtlicher Hinsicht als verfehlt. Es gehe insoweit nicht um das Bedürfnis des Empfängers, sondern nur um die Interessen des Übergebers selbst. Ebenso wenig habe das Landgericht in ausreichendem Maße die damalige Situation des Erblassers bedacht: 2002 habe sich jener in der vierten Ehescheidung befunden, sowohl die vorangegangene Ehefrau als auch die Kinder aus erster und zweiter Ehe hätten ihn verlassen gehabt. Er – der Berufungsführer – sei der einzige dem Erblasser verbliebene familiäre Kontakt gewesen. Durch die vermögenswerte Zuwendung habe ihn der Erblasser zum einen an sich binden wollen – was anerkanntermaßen die Ausprägung eines lebzeitigen Eigeninteresses darstelle –, zum anderen sei es jenem auch darauf angekommen, dass er sich weiterhin um den Garten, die Einkäufe etc. kümmere.
Der Beklagte beantragt:
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18.10.2019, Aktenzeichen 10 O 34/12, insoweit aufgehoben, als dass der Beklagte verurteilt wurde
a. den im Grundbuch von W., Wohnungs- und Teileigentumsgrundbuch, Nr. …, eingetragenen Miteigentumsanteil Nr. 4 von 134/1000 an dem Grundstück in W. an die Klägerin herauszugeben, aufzulassen und die Eigentumsänderung im Grundbuch zu bewilligen, Zug-um-Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von € 17.928,00;
b.
die Klägerin aus einer Kostenforderung wegen vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 3.567,62 zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.08.2012 freizustellen
und die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
2.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18.10.2019, Aktenzeichen 10 O 34/12 insoweit aufgehoben, als die Widerklage des Beklagten abgewiesen wurde und es wird festgestellt, dass die Klägerin/Widerbeklagte Erbin aufgrund der letztwilligen Verfügung des Erblassers G. G. vom 23.06.2008 geworden ist und nicht aufgrund des Erbvertrages vom 07.02.1977 – beurkundet durch das Notariat M., durch Herrn Notar P..
Die Klägerin beantragt (vornehmlich), die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Für den Fall, dass in Bezug auf die beiden erwähnten Eigentumswohnungen der Anwendungsbereich des § 2287 BGB nicht eröffnet und ihr erstinstanzlich verfolgter, auf Zahlung gerichteter Hilfsantrag (LGU 7) diesbezüglich nicht einschlägig sein sollte, beantragt sie – soweit eine (von ihr bislang auch unter den vorbezeichneten Eventualantrag gefasste) schenkungsbedingte Schmälerung ihres Pflichtteils in Betracht kommt – nunmehr weiterhin hilfsweise:
Der Beklagte wird verurteilt, wegen eines Betrages in Höhe von 49.333,00 Euro die Zwangsvollstreckung in die beiden im Hauptantrag unter Nr. 1a.), b.) näher bezeichneten Miteigentumsanteile zu dulden.
Der Beklagte beantragt – als Reaktion auf den solchermaßen geänderten Hilfsantrag der Klägerin – für den Fall, dass vom Berufungsgericht ein Duldungsanspruch befürwortet werden sollte, in das Urteil einen Vorbehalt dahin aufzunehmen, dass es ihm gemäß § 2329 Abs. 2 BGB nachgelassen werde, die Zwangsvollstreckung in die Miteigentumsanteile durch Zahlung des betreffenden Fehlbetrags abzuwenden.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Landgericht mit weitgehend zutreffenden Erwägungen ihrem Herausgabeverlangen bezüglich der Eigentumswohnung Nr. 4 entsprochen habe. Im Ergebnis zu Recht habe es dabei auch die Annahme einer dem Beklagten insoweit zuteil gewordenen Ausstattung verneint. Der vom erstinstanzlichen Gericht insoweit herangezogenen Begründung, durch die vorangegangene Übertragung der Eigentumswohnung Nr. 1 habe der Beklagte bereits eine ausreichende Ausstattung erhalten, könne zwar aus den – nachfolgend – in der Begründung ihres eigenen Rechtsmittels näher aufgezeigten Gesichtspunkten nicht beigepflichtet werden. Für die Annahme einer Ausstattung bleibe aber aus einem anderen Umstand kein Raum: Der dem Beklagten insoweit zugewendete Vermögensvorteil sei für ihn weder nutzbar noch wirtschaftlich verwertbar gewesen, weil er lediglich einen Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung Nr. 4 erlangt gehabt habe, der überdies noch mit einem lebenslangen Nießbrauch zu Gunsten des Erblassers belastet gewesen sei. Zur Begründung oder zum Erhalt einer eigenständigen Lebensstellung des Beklagten sei die betreffende Zuwendung daher untauglich gewesen.
Im Übrigen verteidigt die Klägerin unter Vertiefung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die angefochtene Entscheidung, soweit ihrer Klage stattgegeben wurde.
Zur Begründung ihrer eigenen Berufung hat die Klägerin in den wesentlichen ausgeführt:
In Bezug auf die Eigentumswohnung Nr. 1 sei das Landgericht – welches die übrigen Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage zutreffend beurteilt habe – zu Unrecht zu der Einschätzung gelangt, für eine aus § 2287 BGB folgende Verpflichtung des Beklagten habe es an der erforderlichen Benachteiligungsabsicht des Erblassers gefehlt. Das Gegenteil sei richtig: Die Übertragung der Eigentumswohnung Nr. 1 an den Beklagten sei gerade nicht mit irgendwelchen Verpflichtungen des Beklagten selbst oder dessen Mutter – der dritten Ehefrau des Erblassers – verbunden gewesen: Die unter Punkt 11 des Übergabevertrages vom 10. Oktober 1986 enthaltene Verpflichtung der Mutter des Beklagten, für den Erblasser zu sorgen, stehe in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Übergabe der Eigentumswohnung Nr. 1 an den Beklagten. Dies sei schon daran zu erkennen, dass sich der Erblasser und seine dritte Ehefrau in dem betreffenden Vertrag vom 10. Oktober 1986 wechselseitig dazu verpflichtet hätten, für einander zu sorgen, und zwar auch im Falle der Trennung. Selbst wenn man davon ausgehe, dass diese wechselseitige Verpflichtung für den Erblasser einen größeren „Gegenwert“ gehabt habe als für seine dritte Ehefrau, M. G., sei dies jedenfalls dadurch kompensiert worden, dass jener ein Nießbrauchsrecht an der Eigentumswohnung Nr. 4 eingeräumt worden sei, welches im Falle der Scheidung durch eine Entschädigung in Höhe der Hälfte des Mietwertes habe ausgeglichen werden sollen. Für die Annahme eines beachtenswerten Eigeninteresses des Erblassers bleibe im Übrigen bereits vom Ansatz her kein Raum, da die einzigen Umstände, die sich nach Abschluss des Erbvertrages geändert hätten, darin zu erblicken seien, dass der Erblasser erneut geheiratet habe und mit dem Beklagten ein weiterer Pflichtteilsberechtigter hinzugetreten sei. Daraus lasse sich ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers bereits deshalb nicht ableiten, weil die Parteien des gegenständlichen Erbvertrages diese Möglichkeit bedacht und ausdrücklich geregelt hätten. Hinzu komme, dass es dem Erblasser – wie sich aus der eigenen Darstellung des Beklagten in der Klageerwiderungsschrift ergebe – bei der Übertragung der Eigentumswohnungen allein darum gegangen sei, die Folgen des gegenständlichen, von ihm als unbillig empfundenen Erbvertrages nachträglich zu korrigieren und jenen im Rahmen eines zielgerichteten Gesamtplans durch die an den Beklagten und dessen Mutter getätigten Zuwendungen auszuhöhlen.
Entgegen der Einschätzung des erstinstanzlichen Gerichts handele es sich bei der Übertragung der Eigentumswohnung Nr. 1 an den Beklagten auch nicht um eine Ausstattung, sondern vielmehr um eine Schenkung. Die Annahme einer Ausstattung verbiete sich schon deshalb, weil der Beklagte zum Übertragungszeitpunkt erst vier Jahre alt gewesen sei. Ausweislich der Legaldefinition des § 1624 Abs. 1 BGB setze der Begriff der Ausstattung voraus, dass die Verheiratung oder die Erlangung einer selbstständigen Lebensstellung des Kindes bereits in greifbare Nähe gerückt sei, woran es ersichtlich fehle. Unabhängig davon seien die von dem erstinstanzlichen Gericht in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen nicht geeignet, die in Rede stehende Zuwendung als Ausstattung einzustufen. Der damals 59 Jahre alte und damit über eine noch erhebliche Lebenserwartung verfügende Erblasser sei wirtschaftlich derart gut aufgestellt gewesen, dass keinerlei Gefahr bestanden habe, dem Beklagten den laufenden Naturalunterhalt nicht zu gewähren zu können. Deshalb sei ihrem Hauptantrag in vollem Umfang zu entsprechen.
Die Klägerin beantragt in erster Linie:
1.
Unter Abänderung des am 18.10.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Mannheim, Az.: 10 O 34/12 wird der Beklagte verurteilt, auch den im Grundbuch von W., Wohnung- und Teileigentumsgrundbuch, Nr. … eingetragenen Miteigentumsanteil Nr. 1 von 377/1000 an dem Grundstück in W. an die Klägerin herauszugeben, aufzulassen und die Eigentumsänderung im Grundbuch zu bewilligen, Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von € 64.405,33.
2.
Hinsichtlich des Klageantrags Ziffer 2 wird der Beklagte unter Abänderung des am 18.10.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Mannheim, Az.: 10 O 34/12, verurteilt, die Klägerin aus einer Kostenforderung wegen vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von weiteren € 994,36 zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit freizustellen.
Hilfsweise für den Fall, dass ihr ein Herausgabeanspruch hinsichtlich des im Grundbuch von W., Wohnungs- und Teileigentumsgrundbuch, Nr. … eingetragenen Miteigentumsanteils Nr. 1 von 377/1000 an dem Grundstück in W. nicht zusteht, beantragt die Klägerin:
Der Beklagte wird (unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung) verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. € 142.000,00 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Klägerschriftsatzes vom 15.06.2016 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Unter Vertiefung und Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt er die angefochtene Entscheidung, soweit zu seinen Gunsten erkannt wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin M. G.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 05.09.2023 Bezug genommen (AS II 314 ff.)
II.
Die Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg, während auf die zulässige Berufung des Beklagten die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern war, dass die Klage insgesamt abzuweisen und der Widerklage in vollem Umfang zu entsprechen war.
Erster Teil: Klage
Die Klage erweist sich mit den Haupt- wie mit den Hilfsanträgen als insgesamt unbegründet.
A. Hauptanträge
Die von der Klägerin in erster Linie geltend gemachten Klageanträge (LGU 7), mit welchen sie Zug-um-Zug gegen Zahlung eines näher bezeichneten Betrages von dem Beklagten die Herausgabe und dingliche Übertragung der beiden in Rede stehenden Eigentumswohnungen Nr. 1 und Nr. 4 erstrebt (Antrag Nr. 1 a.) – c.)), waren unter partieller Abänderung des angegriffenen landgerichtlichen Urteils abzuweisen, denn sie sind unbegründet. Die Voraussetzungen eines (jeweils) allein in Betracht zu ziehenden Anspruchs der Klägerin gegen den Beklagten aus § 2287 Abs. 1 BGB sind nämlich nicht erfüllt.
1.
Nach dieser Vorschrift kann der Vertragserbe von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, wenn der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht hat. Der Anwendungsbereich der vorgenannten Bestimmung ist indes nicht eröffnet, denn die Klägerin ist entgegen der Einschätzung des erstinstanzlichen Gerichts nicht Vertragserbin geworden.
Gemäß § 2278 Abs. 2 BGB – einschlägig ist hier die bis zum 31.12.2001 gültig gewesene Fassung – können in einem Erbvertrag nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen vertragsmäßig getroffen werden. Daraus kann freilich nicht der Schluss gezogen werden, dass solche schon allein durch ihre Aufnahme in einen Erbvertrag zu vertragsmäßigen Verfügungen werden. Gemäß § 2299 Abs. 1 BGB darf nämlich einem Erbvertrag jede Verfügung, die in einem Testament enthalten sein kann, einseitig zugefügt werden. Voraussetzung für die Annahme eines Erbvertrages ist allerdings, dass er zumindest eine vertragliche Verfügung enthält (vgl. MüKo/Musielak, BGB, 9. Aufl. 2022, § 2278 Rn. 2 mwN). Ob eine Erbeinsetzung vertragsmäßig oder einseitig getroffen wurde, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln.
Bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen ist nach ständiger höchstrichterlicher (BGH MDR 2019, 1137 – juris Rn. 15 mwN) sowie obergerichtlicher (OLG Hamm ErbR 2021, 608 – juris Rn. 26 mwN) Rechtsprechung vor allem der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Dieser Aufgabe kann der Richter nur dann voll gerecht werden, wenn er sich nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränkt. Der Wortsinn der benutzten Ausdrücke muss gewissermaßen “hinterfragt“ werden, wenn dem wirklichen Willen des Erblassers Rechnung getragen werden soll. Dafür muss der Richter auch alle ihm aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde heranziehen.
Bei der Auslegung von Erbverträgen ist hingegen nach Maßgabe der §§ 157, 133 BGB der Wille der Vertragsparteien zu ermitteln, wobei als Ausgangspunkt hierfür der Wortlaut von Bedeutung ist (vgl. Staudinger/Raff, BGB – Neubearbeitung 2022, § 2278 Rn. 14 mwN). Wird in einem – dem Beurkundungszwang unterliegenden (§ 2276 BGB) – Erbvertrag selbst hinsichtlich der einzelnen Verfügungen ausdrücklich festgestellt, ob es sich um eine vertragsmäßige oder einseitige handelt, bleibt für eine abweichende Auslegung in der Regel kein Raum (vgl. MüKo/Musielak, aaO, § 2278 Rn. 3 mwN). Allerdings können allgemein gehaltene Hinweise im Erbvertrag, wie beispielsweise die Erklärung, alle Bestimmungen des Vertrages seien verbindlich oder vertragsgemäß, etwaige Zweifel nicht ausräumen (vgl. MüKo/Musielak, aaO, § 2278 Rn. 3 mwN). Auch kommt es nicht darauf an, welche Folgerungen die Vertragsschließenden aus den vom Notar verwendeten Formulierungen ziehen durften oder mussten; abzustellen ist allein auf den Willen der Vertragsparteien selbst (vgl. B. Hamdan/M. Hamdan in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl. 2023, § 2278 BGB – Stand 01.07.2023, Rn. 5; MüKo/Musielak, aaO, § 2278 Rn. 3; Hölscher/Kornexl in: Kroiß/Horn, BGB/Erbrecht, 6. Aufl. 2022, § 2278 Rn. 11, jeweils mwN). Anerkanntermaßen muss dabei aufgrund der Interessenlage der Beteiligten entschieden werden, ob eine vertragsmäßige und damit bindende oder eine einseitige und damit frei widerrufliche Verfügung gewollt ist. Da die Interessen der Vertragschließenden an einer Bindung des Erblassers keineswegs stets gleich ausfallen, darf auch nicht von einem Erfahrungssatz ausgegangen werden, dass die Vertragsschließenden regelmäßig den Willen haben, die in einem Erbvertrag aufgenommenen Verfügungen vertragsmäßig zu gestalten, wenn dies rechtlich zulässig ist. Vielmehr muss nach dem Inhalt der einzelnen Verfügungen differenziert und danach gefragt werden, ob durch sie der Vertragspartner des Erblassers oder ein Dritter begünstigt wird (vgl. MüKo/Musielak, aaO, § 2278 Rn. 3 mwN).
Nach ganz überwiegender Ansicht (vgl. BGHZ 106, 359 – juris Rn. 6; Staudinger/Raff, aaO, § 2278 Rn. 15; MüKo/Musielak, aaO, § 2278 Rn. 4; jeweils mwN) ist in der Regel davon auszugehen, dass die Zuwendung zu Gunsten einer am Abschluss des Erbvertrags beteiligten Personen vertragsmäßig getroffen ist, sofern es keine triftigen Gründe gibt, die für das Gegenteil sprechen.
Bei der Frage, ob die einen Dritten begünstigende Verfügung im Erbvertrag vertragsmäßig oder einseitig getroffen worden ist, muss auf das Interesse der Vertragschließenden an dem Bestand dieser Verfügung abgestellt werden. Dabei spielt eine Rolle, in welchem Verhältnis der Dritte zu den Vertragspartnern steht. Denn es ist offensichtlich, dass jeder Vertragschließende ein unterschiedlich starkes Interesse an der Verfügung besitzt, je nachdem, ob es sich bei dem Begünstigten um ein eigenes Kind, um einen nahen Verwandten, um einen engen Freund, um einen entfernten Verwandten oder um einen Fremden handelt (vgl. MüKo/Musielak, aaO, § 2278 Rn. Rn. 5). Entscheidend für eine etwaige Bindungswirkung der Verfügung ist das persönliche Näheverhältnis zwischen dem Zuwendungsbegünstigten und dem Vertragsgegner des Erblassers (vgl. BGH MDR 1961, 129 – juris Rn. 16; B. Hamdan/M. Hamdan, aaO, § 2278 Rn. 7 mwN). Die Zuwendung an gemeinsame Kinder der Vertragsparteien ist danach in aller Regel als bindend anzusehen. Enthält die Verfügung eine Zuwendung an eine Person, die mit dem Vertragsgegner ansonsten verwandt ist oder ihm nahesteht, wird sie grundsätzlich gleichfalls bindend gewollt sein. Wird jedoch ein Dritter bedacht, der mit dem Erbvertragspartner weder verwandt ist noch ihm sonst nahesteht, wird häufig der Wille zur Bindung fehlen (vgl. BGH MDR 1961, 129 – juris Rn. 16). Damit zeigt sich im Ergebnis eine Parallele zum gemeinschaftlichen Testament, weshalb bei der Auslegung auch die rechtsähnliche Regelung des § 2270 Abs. 2 BGB über die Wechselbezüglichkeit von Verfügungen mit herangezogen werden kann (vgl. Staudinger/Raff, aaO, § 2278 Rn. 18 mwN).
Wer zu den dem anderen Ehegatten „sonst nahestehenden Personen“ im Sinne der vorbezeichneten Norm zu zählen ist, muss aufgrund einer individuellen Beurteilung des Einzelfalls entschieden werden, da nur der Begriff der Verwandtschaft im Gesetz (§ 1589 BGB) definiert ist (vgl. MüKo/Musielak, aaO, § 2270 BGB Rn. 13; OLG Frankfurt ErbR 2016, 648 – juris Rn. 21 mwN). Dabei sind an den Begriff strenge Anforderungen zu stellen, um den Anwendungsbereich des § 2270 Abs. 2 BGB nicht ausufern zu lassen. Deshalb fallen nur solche Personen unter den Begriff, zu denen der betroffene Ehegatte enge persönliche und innere Bindungen gehabt hat, die mindestens dem üblichen Verhältnis zu nahen Verwandten entsprechen (vgl. OLG Frankfurt, aaO, Rn. 21; MüKo/Musielak, aaO, § 2270 BGB Rn. 13 mwN).
Die dargestellten Grundsätze gelten in vollem Umfang auch für Verschwägerte, insbesondere dann, wenn die Schwägerschaft nur durch den anderen Ehegatten vermittelt wird (vgl. MüKo/Musielak, aaO, § 2270 BGB Rn. 13 mwN).
Ob ein Näheverhältnis in diesem Sinne vorliegt, beurteilt sich zu dem Zeitpunkt, in welchem die letztwillige Verfügung errichtet wird (vgl. BGHZ 149, 363 – juris Rn. 17; OLG Frankfurt, aaO, Rn. 21).
2.
Gemessen daran kann die Klägerin nicht als Vertragserbin angesehen werden. Denn die Auslegung des gegenständlichen Erbvertrags vom 7. Februar 1977 führt zu dem Ergebnis, dass sie und ihr älterer Bruder E. G. lediglich aufgrund einseitiger Verfügung(en) des Erblassers zu Miterben bestimmt wurden, während allein die Erbeinsetzung ihrer Halbschwester S. G. zu 1/3 in vertragsmäßiger Weise erfolgte.
Zwar deutet der Wortlaut jener Urkunde (vgl. Anlage K 1) darauf hin, dass der Erblasser seine beiden aus erster Ehe stammenden Kinder sowie seine aus der zweiten Ehe hervorgegangene Tochter zu gleichen Teilen aufgrund jeweils vertragsmäßig getroffener Verfügungen als Erben eingesetzt hat. Aufgrund der vorliegenden Besonderheiten muss aber angenommen werden, dass die vom Notar insoweit gewählten Formulierungen nicht in vollem Umfang dem wirklichen Willen der Vertragsparteien entsprachen. Durchgreifende Zweifel gegen eine derartige, allein aus dem Wortlaut des Vertrages abgeleitete Annahme ergeben sich insbesondere aus der am 3. Februar 1977, also nur vier Tage zuvor geschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung (vgl. Anlage B 3), die einen engen inhaltlichen Zusammenhang mit dem gegenständlichen Erbvertrag aufweist. Ausweislich Nr. 3 der Scheidungsfolgenvereinbarung hatte sich der Erblasser seiner zweiten, damals schon von ihm geschiedenen Ehefrau gegenüber nämlich verpflichtet, das Erbrecht seiner ehegemeinsamen Tochter S. G. zu gleichen Teilen gegenüber den beiden anderen Kindern aus dessen erster Ehe – der Klägerin sowie deren älterer Bruder – sicherzustellen. Dabei unterliegt es keinem Zweifel, dass die Eingehung der vorbezeichneten Verpflichtung auf ein entsprechendes Verlangen der zweiten Ehefrau des Erblassers zurückzuführen war. Dies erschließt sich bereits aus dem Inhalt der betreffenden Regelung selbst. Untermauert wird diese Beurteilung weiterhin durch die Entstehungsgeschichte der Scheidungsfolgenvereinbarung: In dem ursprünglichen, von dem Erblasser verfassten Entwurf derselben vom 17. Dezember 1976 (vgl. Anlagen B 32 = B 80) war eine solche – einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 2302 BGB darstellende – Verpflichtung nämlich noch nicht enthalten. Dass er in der Folge gleichwohl bereit war, dem diesbezüglichen Verlangen seiner zweiten Ehefrau zu entsprechen, zeigt indes, dass ihm seinerseits in ganz erheblichem Maße am Abschluss der eine umfassende Abgeltung wechselseitiger Ansprüche beinhaltenden (Nr. 7) Scheidungsfolgenvereinbarung gelegen war, wobei letztlich offenbleiben kann, von welchen Beweggründen er sich leiten ließ.
In Anbetracht dieser Umstände muss davon ausgegangen werden, dass aus der Sicht des Erblassers der Abschluss des gegenständlichen Erbvertrages erkennbar nur dazu diente, die vom ihm unter Nr. 3 der Scheidungsfolgenvereinbarung eingegangene Verpflichtung zu erfüllen. Anhaltspunkte dafür, dass er sich in dem gegenständlichen Erbvertrag Bindungen unterwerfen wollte, die über die Verpflichtung aus Nr. 3 der Scheidungsfolgenvereinbarung hinausreichten, sind nicht erkennbar. Mit der zuletzt genannten Regelung wollte die zweite Ehefrau des Erblassers ausschließlich sicherstellen, dass ihrer ehegemeinsamen Tochter S. in verbindlicher Weise eine unentziehbare Rechtsposition eingeräumt wird, die jener entsprochen hätte, wenn bei einem Ableben des Erblassers die gesetzliche Erbfolge eingetreten und als gesetzlichen Erben allein dessen drei damalige eheliche Abkömmlinge als Miterben berufen gewesen wären (§ 1924 Abs. 1, Abs. 4 BGB). Darin erschöpfte sich das Interesse der zweiten Ehefrau des Erblassers. Dagegen war ihr nicht daran gelegen, auch ihren beiden Stiefkindern eine solch dauerhafte Begünstigung zu verschaffen, welche ihnen der Erblasser ebenfalls nicht mehr hätte entziehen können. Dass sie insoweit nur darauf bedacht war, die Belange ihrer eigenen Tochter zu wahren, erschließt sich bereits aus der Zielsetzung, welche die Regelung unter Nr. 3 der Scheidungsfolgenvereinbarung unmissverständlich erkennen lässt: Diese war nicht darauf ausgerichtet, die drei damaligen Abkömmlinge des Erblassers in ebenbürtiger Weise abzusichern, vielmehr zielte sie nur darauf ab, dass „das Erbrecht“ der Tochter S. G. anteilig gleich sichergestellt sein sollte, und zwar gerade „gegenüber den beiden Kindern aus erster Ehe“.
Dass die zweite Ehefrau kein Interesse an einer gleichwertigen Absicherung ihrer beiden Stiefkinder – mit welchen sie durch die vorangegangene Heirat mit dem Erblasser lediglich verschwägert war (§ 1590 BGB) – besaß, wird auch durch das damalige Beziehungsgefüge erhärtet: Bei Abschluss des gegenständlichen Erbvertrages sowie der Scheidungsfolgenvereinbarung im Februar 1977 bestand jedenfalls keine enge persönliche Verbindung zwischen ihr und der Klägerin sowie deren Bruder. Es kann schon nicht gesichert angenommen werden, dass die zweite Ehefrau vor der Trennung von dem Erblasser jemals eine enge Bindung zu dessen aus der ersten Ehe stammenden Abkömmlingen aufgebaut hatte. Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Erblasser 1979 anlässlich seiner ärztlichen Behandlung in M. angegeben hatte, die beiden Kinder aus der ersten Ehe hätten auch unter der Trennung von der Stiefmutter gelitten, zu der ein guter Kontakt bestanden habe (vgl. dazu das Privatgutachten von Prof. W. vom 27. Mai 2013, dort Seiten 5, 7 – AHB I 335, 339). Abgesehen davon, dass daraus nicht ohne weiteres auf eine Gegenseitigkeit geschlossen werden kann, beinhalten die später zustande gekommenen schriftlichen Aufzeichnungen des Erblassers gleich mehrere Passagen, in welchen er das Verhalten seiner zweiten Ehefrau gegenüber ihren Stiefkindern während der Ehe als kühl bzw. angespannt umschreibt (vgl. etwa Anlage B 39 – AHB I 217 ff). Jedenfalls steht außer Frage, dass jene nach der Trennung von dem Erblasser keine engen persönlichen Bindungen zu dessen Abkömmlingen aus der ersten Ehe (mehr) unterhielt, sollten solche jemals (gleichwohl) bestanden haben. Dass nach dem Vorbringen der Klägerin der Kontakt zwischen ihr und der zweiten Ehefrau des Erblassers nach der Trennung nicht abgerissen ist, sondern über Jahre fortbestand – vorgelegt hat sie an sie gerichtete Karten und Briefe, in welchen ihre Stiefmutter auch noch im Jahre 1982 mit „Mama“ unterzeichnete (vgl. Anlagenkonvolut K 13, insbesondere AHK I 179, 181) – rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Bezeichnenderweise hat die Klägerin selbst klargestellt, dass sie ihr Erbrecht insoweit auch nicht auf ein „Näheverhältnis“ stütze (AS I 989).
Dementsprechend muss davon ausgegangen werden, dass auch die in dem Erbvertrag weiterhin enthaltene Regelung, der zufolge auch ein späteres Hinzutreten von Pflichtteilsberechtigten an der Wirksamkeit der getroffenen Bestimmungen nichts ändern sollte – darin liegt ein zulässiger Ausschluss des Anfechtungsrechts aus §§ 2281, 2079 BGB (vgl. BGH NJW 1983, 2247 – juris Rn. 30) – , nach dem Willen der Vertragsschließenden allein dazu diente, um die festgelegte Begünstigung der ehegemeinsamen Tochter S. G. abzusichern.
Soweit das Landgericht seine gegenteilige Annahme einer umfassenden Bindungswirkung damit begründet hat, durch eine vertragsmäßige Einsetzung sämtlicher Kinder sei die Tochter der zweiten Ehefrau des Erblassers davor geschützt worden, dass dieser weitere Personen durch Verfügung von Todes wegen bedenken könne, was unter Umständen zu Pflichtteilsansprüchen der beiden anderen Kinder gegen ihre eigene Tochter hätte führen können (LGU 18), vermag auch diese letztlich rechtstechnische Erwägung nicht zu überzeugen. Daraus lässt sich nämlich kein abweichender Wille der Vertragsschließenden herleiten. Abgesehen davon, dass die zweite Ehefrau des Erblassers eine durch das etwaige Hinzutreten weiterer Pflichtteilsberechtigter bedingte Schmälerung des Nachlasses ohnehin nicht verhindern konnte, spielt der vom Landgericht angeführte Gesichtspunkt letztlich keine ausschlaggebende Rolle: Wäre vom Erblasser anstelle seiner als Miterben eingesetzten Kinder aus der ersten Ehe in der Folgezeit eine andere, nicht pflichteilsberechtigte Person bedacht worden, hätte – worauf die Berufung des Beklagten zutreffend verweist – jene gemäß § 2320 Abs. 2, Abs. 1 BGB die Pflichtteilslast bezüglich der beiden Abkömmlinge aus der ersten Ehe des Erblassers tragen müssen. Wären dagegen vom Erblasser später anstelle seiner beiden Kinder aus erster Ehe andere zwischenzeitlich pflichtteilsberechtigt gewordene Personen als weitere Miterben eingesetzt worden, hätte dies nur einen Austausch von Pflichtteilsberechtigten bedeutet, was mit keinerlei Nachteilen für die Rechtsstellung der aus der zweiten Ehe des Erblassers hervorgegangenen Tochter S. G. verbunden gewesen wäre.
Ein anderes Auslegungsergebnis kann schließlich auch nicht in Anbetracht der in den Schlussbestimmungen unter Nr. 3 des Erbvertrages enthaltenen Regelung (“Sollten keine Abkömmlinge von den unter Ziff. 1 – 3 Genannten vorhanden sein, so sind diese gegenseitig Ersatzerben, ersatzweise deren Abkömmlinge.“) gewonnen werden. Abgesehen davon, dass die Aufnahme in den Schlussbestimmungen indiziell darauf hindeuten könnte, dass es sich um eine vom Notar angeregte Ergänzung handelte, ist dafür folgende Erwägung maßgebend: Gerade unter Berücksichtigung der Scheidungsfolgenvereinbarung fehlt es an jedem greifbaren Anhalt dafür, dass es der zweiten Ehefrau des Erblassers darauf angekommen wäre, ihrer Tochter S. G. sogar noch weitergehende Rechte für den Fall zu verschaffen, dass deren Halbbruder oder deren Halbschwester ohne Abkömmlinge versterben sollten. Nur wenn die zweite Ehefrau des Erblassers ein solches – aus damaliger Sicht weit in die Zukunft reichendes – Regelungsinteresse besessen hätte, wäre ihr mittelbar auch daran gelegen gewesen, dass die beiden aus der ersten Ehe des Erblassers stammenden Kinder eine unentziehbare erbrechtliche Stellung erlangt hätten, was aber fernliegend erscheint.
Ist die Klägerin mithin nicht Vertragserbin geworden, bleibt schon vom Ansatz her kein Raum für eine Heranziehung der vorliegend allein in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlage des § 2287 Abs. 1 BGB.
B. Eventualanträge
Auch den von der Klägerin verfolgten Hilfsanträgen bleibt in Sache ein (Teil-)Erfolg versagt, weshalb die Klage insgesamt abzuweisen war.
1. Erster Hilfsantrag
Die Klägerin macht, wie im Tatbestand des angefochtenen Urteils zutreffend wiedergegeben (LGU 7), hilfsweise ein Zahlungsverlangen von 193.800,00 EUR gegen den Beklagten geltend. Ausweislich der Berechnungen im Schriftsatz ihrer vormaligen Prozessbevollmächtigten vom 13. August 2019 (AS I 1060 ff., 1062) sucht sie das betreffende Zahlungsverlangen in der genannten Höhe – ebenso wie die Hauptanträge – (vorrangig) aus einem Anspruch gemäß § 2287 Abs. 1 BGB herzuleiten, und zwar für die besondere Fallkonstellation, dass jeweils nur von einer nicht in vollem Umfang durch ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers gedeckten, partiell aber in Beeinträchtigungsabsicht erfolgter Schenkung auszugehen wäre (vgl. BGH MDR 2012, 34 – juris Rn. 14).
Das betreffende Zahlungsbegehren der Klägerin stellt sich ersichtlich als unbegründet dar, und zwar sowohl in Bezug auf die Eigentumswohnung Nr. 1 als auch hinsichtlich der Eigentumswohnung Nr. 4. Wie bereits dargelegt, ist der Anwendungsbereich der erwähnten Vorschrift nämlich schon deshalb nicht eröffnet, weil die Klägerin keine Stellung als Vertragserbin erlangt hat.
2. Weiterer Hilfsantrag
Zwar hat die Klägerin – nach vorangegangener Erörterung in der Berufungsverhandlung vom 02.11.2021 – einen entsprechenden Hinweis des Senats aufgegriffen und ihr im ersten Rechtszug auch wegen einer Schmälerung ihres Pflichtteils geltend gemachtes, insoweit unschlüssiges Zahlungsbegehren dahin geändert, dass sie nunmehr wegen der von ihr ermittelten Beträge eine Verurteilung des Beklagten zur Duldung der Zwangsvollstreckung in die beiden Eigentumswohnungen Nrn. 1 und 4 erstrebt (a.). Auch erweist sich das solchermaßen geänderte Verlangen als zulässig (b.). Letztlich konnte jedoch diesem Hilfsbegehren in der Sache nach Durchführung einer Beweiserhebung im Berufungsrechtszug auch nicht partiell entsprochen werden (c).
a.
Wie sich dem bereits zuvor erwähnten Schriftsatz der vormaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 13. August 2019 weiter entnehmen lässt (dort Seiten 5, 6 – AS I 1064, 1065), hatte sie ursprünglich geltend gemacht, ihr stehe höchst hilfsweise ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von insgesamt 49.333 EUR gegen den Beklagten zu, wobei sie diese Forderung auf einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB zu stützten suchte.
Die von der Klägerin genannte Bestimmung war indes ersichtlich nicht einschlägig: Zwar gibt § 2325 BGB dem Pflichtteilsberechtigten im Falle einer Schenkung des Erblassers an einen Dritten unter gewissen Voraussetzungen einen auf Zahlung gerichteten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Schuldner einer derartigen Forderung sind aber die Erben, weil es sich hierbei um eine Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) handelt. In ihrer unstreitigen Eigenschaft als alleinige Erbin kam daher lediglich ein der Klägerin ggf. zustehender Anspruch aus § 2329 Abs. 1 S. 2 BGB gegen den Beklagten als (möglichen) Beschenkten in Betracht. Seinem Inhalt nach ist der Anspruch gemäß § 2329 BGB indes nur dann auf Zahlung gerichtet, wenn entweder der Erblasser dem Dritten Geld geschenkt hat, oder wenn das nicht in Geld bestehende Geschenk (mittlerweile) nicht mehr vorhanden ist, ohne dass sich der Beschenkte auf einen Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen kann (vgl. Staudinger/Herzog, BGB – Neubearbeitung 2021, § 2329 Rn. 54). In allen anderen Fällen – insbesondere also bei Sachschenkungen – richtet sich der Anspruch auf Herausgabe des Geschenks zum Zwecke der Befriedigung durch Zwangsvollstreckung in die geschenkten Gegenstände wegen des fehlenden Betrages (nachfolgend nur: „Fehlbetrag“). Dabei ist die Klage entsprechend §§ 1973 Abs. 2 Satz 1, 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den geschenkten Gegenstand zu richten, ohne dass es einer zusätzlichen Herausgabe desselben bedarf (vgl. Staudinger/Herzog, aaO, Rn. 56 mwN).
Da die dem Beklagten zuteil gewordenen Zuwendungen sowohl einer Herausgabe als auch einer dinglichen Übertragung zugänglich sind, bedurfte es insoweit einer geänderten Antragsfassung. Dem hat die Klägerin nach einem vorangegangenen Hinweis des Senats Rechnung getragen.
b.
Dieser neu gestellte Hilfsantrag ist auch zulässig.
Zum einen hat sich der Beklagte rügelos auf den solchermaßen geänderten Antrag eingelassen, weshalb eine Einwilligung vermutet wird (§§ 533 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, 525 Satz 1, 263, 267 ZPO), zum anderen ist insbesondere aus Gründen der Prozessökonomie eine Sachdienlichkeit anzunehmen, und ferner waren aufgrund der abweichenden materiell-rechtlichen Bewertung gegenüber dem angefochtenen Urteil ohnehin partiell neue bzw. ergänzende Feststellungen zu treffen, die der Berufungsentscheidung zugrunde zu legen waren (§§ 533 Abs. 1 Nr. 2, 529 Nr. 1, Nr. 2 ZPO).
c.
Der vorgenannte Eventualantrag erwies sich indes ebenfalls als unbegründet. In Bezug auf die Eigentumswohnung Nr. 1 konnte dem Hilfsbegehren schon aus materiell-rechtlichen Gründen nicht entsprochen werden (aa.) und hinsichtlich des vom Erblasser übertragenen Miteigentumsanteils bezüglich der Eigentumswohnung Nr. 4 verblieb nach den Erkenntnissen aus der Beweisaufnahme kein Raum mehr für eine auf Duldung der Zwangsvollstreckung gerichtete Verurteilung des Beklagten (bb.).
aa.
Was die Eigentumswohnung Nr. 1 anbelangt, steht der Klägerin gegen den Beklagten schon vom Ansatz her kein Anspruch aus § 2329 Abs. 1 S. 2 BGB zu. Insoweit ist der weitere Hilfsantrag unbegründet. Denn die betreffende Zuwendung, welche dem Beklagten vom Erblasser zuteil wurde, stellt keine Schenkung dar, sondern es handelt sich dabei vielmehr um eine Ausstattung im Sinne des § 1624 BGB. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit in vollem Umfang auf die zutreffende Begründung in der angefochtenen Entscheidung (LGU 43 – 45 unter II. b)) verwiesen werden. Die dagegen gerichteten Berufungsangriffe der Klägerin verfangen nicht.
Es spielt keine Rolle, dass der Beklagte erst vier Jahre alt war, als die Eigentumswohnung Nr. 1 auf ihn übertragen wurde. Die in diesem Zusammenhang geäußerte Einschätzung der Klägerin, der Begriff der Ausstattung setze voraus, dass die Verheiratung oder die Erlangung einer selbstständigen Lebensstellung des Kindes bereits in greifbare Nähe gerückt sei, trifft nicht zu. Im Gegenteil: Gerade die im Gesetzeswortlaut enthaltene Wendung „mit Rücksicht auf“ bringt zum Ausdruck, dass es auf den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Eheschließung oder mit dem Eintritt in die selbstständige Lebenssituation nicht ankommt. Vielmehr kann die Zuwendung im Vorgriff darauf erfolgen, solange damit nur der genannte Zweck verfolgt wird (vgl. BeckOGK/Kienemund, 1.8.2023, BGB § 1624 Rn. 8 mwN). Überdies steht außer Frage, dass bereits minderjährigen Kindern eine Ausstattung gewährt bzw. ein Ausstattungsversprechen zuteil werden kann, und zwar gerade im Hinblick auf eine künftige Ausbildungsfinanzierung (vgl. BeckOGK/Kienemund, aaO, § 1624 Rn. 8 mwN).
Das weitere Berufungsvorbringen der Klägerin – der damals noch über eine erhebliche Lebenserwartung verfügende Erblasser sei wirtschaftlich derart gut aufgestellt gewesen, dass er dem Beklagten zuverlässig den laufenden Naturalunterhalt habe gewähren können – ist ebenfalls nicht geeignet, die vom Landgericht zu Recht befürwortete Annahme einer Ausstattung infrage zu stellen: Anerkanntermaßen braucht die Zuwendung zum angestrebten Zweck nicht objektiv erforderlich sein; entscheidend ist nur, dass sie nicht das den Umständen, insbesondere den Lebensverhältnissen der Eltern (bzw. des Elternteils) entsprechende Maß übersteigt (vgl. MüKo/v. Sachsen Gessaphe, BGB, 8. Aufl. 2020, § 1624 Rn. 5 mwN). Ob der erforderliche Zweck verfolgt wird, hängt von der Absicht des Zuwendenden ab, die aus den vorhandenen Umständen zu ermitteln ist (vgl. BeckOGK/Kienemund, aaO, § 1624 Rn. 8 mwN). Selbst wenn man von einer Unaufklärbarkeit des Zwecks ausginge, ist im Übrigen hervorzuheben, dass bei einer größeren elterlichen Zuwendung die Deutung als Ausstattung naheliegt (vgl. MüKo/v. Sachsen Gessaphe, aaO, § 1624 Rn. 5 mwN).
Dass es sich vorliegend auch nicht um eine im Übermaß gewährte Ausstattung handelt – nur insoweit wäre vom Vorliegen einer Schenkung auszugehen (vgl. Staudinger/Herzog, BGB – Neubearbeitung 2021, § 2325 Rn. 17 mwN) – erschließt sich aus der zutreffenden Begründung der angefochtenen Entscheidung (LGU 45). Diesbezüglich erinnert auch die Klägerin mit ihrer Berufung nichts dagegen.
bb.
Was die Zuwendung angeht, welche der Beklagte von seinem Vater in Bezug auf die Eigentumswohnung Nr. 4 empfangen hat, wäre zwar (wenn auch nur wegen eines der Höhe nach überschaubaren Fehlbetrages) eine ihn treffende Duldungspflicht nach § 2329 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht gekommen, wenn es sich dabei in vollem oder sehr weitgehendem Umfang um eine (ggf. gemischte) Schenkung gehandelt hätte. Davon kann aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ausgegangen werden, weshalb die Klage unter entsprechender Abänderung auf die Berufung des Beklagten hin insgesamt abzuweisen war.
aaa.
Für die nachfolgenden Erwägungen war unter Berücksichtigung des unstreitigen Vortrags beider Parteien (vgl. AS II 276) die Eigentumswohnung Nr. 4 in vollem Umfang als Zuwendungsgegenstand zu behandeln, welchen der Beklagte vom Erblasser erhalten hat.
Unter Heranziehung der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen (LGU 5) hatte der Erblasser durch den Schenkungs- und Übergabevertrag vom 21.06.2002 (Anlage B 15) zwar (zunächst) nur einen Miteigentumsanteil von 130/1000 an der Eigentumswohnung Nr. 4 an den Beklagten übertragen, während er selbst den restlichen Miteigentumsanteil von 4/1000 behielt, um weiter über ein eigenes Stimmrecht in den Eigentümerversammlungen zu verfügen. Gleichzeitig hatte der Erblasser aber dem Beklagten eine (für die Klägerin als Erbin) unwiderrufliche Vollmacht erteilt, damit jener den restlichen Miteigentumsanteil von 4/1000 im Zeitpunkt des Versterbens des Erblassers aufgrund der vorbezeichneten Übereinkunft auf sich übertragen konnte, womit der Beklagte zur damaligen Zeit insoweit zwar noch kein Anwartschaftsrecht im rechtstechnischen Sinne, aber eine ähnlich starke Rechtsstellung erlangt hatte, stand es doch allein in seinem Belieben, die betreffende dingliche Verfügung vorzunehmen. Da der Beklagte – was dem Willen der Vertragsparteien entsprach und auch von vornherein absehbar war – von dieser ihm eingeräumten Möglichkeit unstreitig in der Folgezeit Gebrauch gemacht hat, erschien es nach dem Dafürhalten des Senats angezeigt, ihn im Anwendungsbereich des § 2329 BGB so zu behandeln, wie wenn ihm die Eigentumswohnung Nr. 4 insgesamt zugewendet worden wäre.
bbb.
Für die Bestimmung des Fehlbetrages im Sinne des § 2329 Abs. 1 S. 2 BGB ist die Klägerin unter Zugrundelegung ihres Prozessvortrages dabei zu Recht von einer Pflichtteilsquote von 1/6 ausgegangen, da für die Feststellung des gesetzlichen Erbteils auch derjenige Anteil mit zu berücksichtigen war, welcher auf die aus der zweiten Ehe des Erblassers stammende S. G. entfallen wäre. Denn nach § 2310 Satz 1 BGB war diese Halbschwester der Klägerin neben den Parteien selbst mitzuzählen, obwohl sie die väterliche Erbschaft ausgeschlagen hat. Ansonsten gelten die gleichen Erwägungen, welche das Landgericht für die Ermittlung des Pflichtteils des Beklagten angestellt hat; auf diese Ausführungen wird zustimmend Bezug genommen (LGU 38, 39 unter d)).
Auch die von der Klägerin herangezogene Berechnungsweise unterlag keiner Beanstandung. Unter der von ihr angenommenen Voraussetzung, dass die Zuwendung der Eigentumswohnung Nr. 4 an den Beklagten eine reine bzw. ausschließliche Schenkung verkörperte, hat sie zur Bestimmung des genauen Fehlbetrages zu Recht folgenden Rechenweg gewählt: Den Wert der erwähnten Zuwendung und den saldomäßigen Wert des tatsächlichen Nachlasses hat sie zu einer Zwischensumme addiert, daraus den der Pflichtteilsquote entsprechenden anteiligen Betrag bestimmt und davon wiederum den Wert des von ihr bereits vereinnahmten tatsächlichen Nachlasses in Abzug gebracht. Wäre die Zuwendung der Eigentumswohnung Nr. 4 in vollem Umfang als (reine) Schenkung an den Beklagten einzustufen gewesen, hätte sich unter Heranziehung der von der Klägerin zurecht in Ansatz gebrachten Werte (AS I 1064, 1065) daraus ein Fehlbetrag in Höhe von 2.000,00 EUR ergeben, wegen welcher sie von dem Beklagten die Duldung der Zwangsvollstreckung hätte verlangen können. Denn der vom gerichtlichen Sachverständigen B. zum Stichtag 17. August 2011 (Todestag des Erblassers) ermittelte, unter korrekter Anwendung des Niederstwertprinzips heranzuziehende, unbelastete Verkehrswert der Eigentumswohnung Nr. 4 von 92.000,00 EUR sowie der der Klägerin gebührende tatsächliche Nachlasswert von 16.000,00 EUR hätten zu einer Zwischensumme von 108.000,00 EUR geführt, woraus sich unter Heranziehung der Pflichtteilsquote von 1/6 ein (fiktiver) Anteil der Klägerin von 18.000,00 EUR (= 108.000,00 EUR x 1/6) sowie nach Abzug des tatsächlichen Nachlasswertes ein verbleibender Fehlbetrag von 2.000,00 EUR (= 18.000,00 EUR – 16.000,00 EUR) abgeleitet hätten.
ccc.
Aufgrund der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht indes fest, dass die vorgenannte Zuwendung jedenfalls keine ausschließliche Schenkung darstellte, sondern dass sie (zumindest) einen entgeltlichen Anteil aufwies, wobei der Wert der Gegenleistungen, die der Beklagte dem Erblasser gegenüber erbracht hatte, so hoch zu veranschlagen war, dass für die Annahme eines Fehlbetrages in dem vorbezeichneten Sinne kein Raum mehr verblieb.
α)
Der Beklagte hat insoweit geltend gemacht, die Miteigentumsanteile bezüglich der Eigentumswohnung Nr. 4 seien ihm im Jahr 2002 vom Erblasser (u.a.) einvernehmlich als Gegenleistung dafür übertragen worden, dass er jenen in der Vergangenheit in beträchtlichem Maße insbesondere bei dessen Buchprojekten unterstützt habe, und zwar dadurch, dass er für diesen „Computer-Leistungen“ (AS II 144) erbracht habe. Insoweit hat der Beklagte vorgetragen:
Sein schriftstellerisch tätig gewesener Vater habe zwei Bücher – nämlich die Werke „…“ und „…“ – veröffentlicht, deren Manuskripte durch ihn, den Beklagten, auf dem Computer geschrieben worden seien. Darüber hinaus habe er dem Erblasser Einführungsunterricht in die computergestützte Textverarbeitung erteilt und zahlreiche Schreibarbeiten „für den K.-Verein des Erblassers übernommen“ (AS II 142).
Das erstgenannte Buch („…“) habe der Erblasser nur durch die von ihm – dem Beklagten – erbrachte Arbeit realisieren und vermarkten können. Der Aufwand hierfür habe in dem Zeitraum von 1992 bis 1995 – also über 4 Jahre hinweg – durchschnittlich 8 Stunden in der Woche betragen. Das zweite Buch („…“) habe der Erblasser aufgrund der durch ihn erlernten Fähigkeiten, teilweise als Textvorlage im Computer, in den Jahren 1996, 1997 bis Anfang 1998 selbst vorformuliert, während er sich hauptsächlich um das Layout des Buches gekümmert habe. Insoweit seien von ihm mindestens 450 Stunden aufgewandt worden für die vorbezeichnete Tätigkeit, für Computer-Unterricht und für Zeitungsartikel.
β)
Das Landgericht hat dieses Verteidigungsvorbringen des Beklagten als unerheblich eingestuft, wobei es sich im Kern auf zwei eigenständige Begründungen gestützt hat: Zum einen sei eine rückwirkende Umwandlung in der Vergangenheit liegender, (zunächst) unentgeltlich erbrachter Leistungen durch eine nachträglich vereinbarte Entgeltlichkeit nur in sehr eingeschränktem Maße als statthaft anzusehen (LGU 30, 31). Zum anderen seien die vom Beklagten im Einzelnen behaupteten (Hilfs-)Tätigkeiten, die er seiner Darstellung nach in sehr jungen Jahren für den Erblasser erbracht habe, deshalb nicht berücksichtigungsfähig, weil darin ein Verstoß gegen das Beschäftigungsverbot des JArbSchG liege (LGU 33).
γ)
Wie der Beklagte mit der Berufung zu Recht rügt, erscheint keine der beiden Begründungen, die das Landgericht herangezogen hat, tragfähig, weshalb es einer Beweiserhebung bedurfte.
Eine rückwirkende Umwandlung in der Vergangenheit liegender, (zunächst) unentgeltlich erbrachter Leistungen durch eine nachträglich vereinbarte Entgeltlichkeit erachtet der Senat ohne weiteres für möglich und wirksam, und zwar gerade auch im Hinblick auf Ansprüche aus §§ 2325 ff. BGB. Die gegenteilige Einschätzung des erstinstanzlichen Gerichts erscheint mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit unvereinbar (vgl. BGHZ 171, 136 – juris Rn. 10, 14 mwN).
Die Zielrichtung des JArbSchG liegt auch nicht darin, Kindern bzw. Jugendlichen, welche ihre Eltern durch die freiwillige Erbringung von Hilfstätigkeiten etc. unterstützen, die Zuerkennung einer nachträglich vereinbarten Gegenleistung zu versagen, zumal dadurch sogar eine Schlechterstellung des geschützten Personenkreises bewirkt werden würde. Maßgebend erscheint vielmehr, ob der (behaupteten) Arbeitsleistung – ähnlich wie im Schadensrecht – ein (wenn auch ggf. durch Abschläge geminderter) Geld- bzw. Marktwert beigemessen werden kann, mithin von einem (freiwillig erbrachten) Vermögensopfer auszugehen ist (vgl. BGHZ 131, 220 – juris Rn. 10 mwN), wobei die Höhe des hierfür in Ansatz zu bringenden Betrages einer Schätzung zugänglich ist (vgl. § 287 Abs. 2 ZPO).
δ)
Dahinstehen kann, ob – wie vom Beklagten geltend gemacht – die Übertragung der Miteigentumsanteile bezüglich der Eigentumswohnung Nr. 4 trotz der gewählten Bezeichnung als „Schenkungs- und Übergabevertrag“ (vgl. Anlage B 15) nach dem Willen der Vertragsschließenden tatsächlich eine überwiegend oder gar ausschließlich entgeltliche Zuwendung verkörpern sollte. Denn jedenfalls unterliegt es keinem Zweifel, dass diese Zuwendung des Erblassers keine reine Schenkung darstellte, sondern dass sie (wenigstens) partiell entgeltlich war, wobei der Wert der vom Beklagte erbrachten Gegenleistungen, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit einem erheblichen, insgesamt wenigstens 2.000 Stunden betragenden Zeitaufwand verbunden waren (1), nach Vornahme einer Schätzung (vgl. § 287 Abs. 2 ZPO) mit mindestens 12.000,00 EUR zu veranschlagen war (2). Eingedenk dessen verblieb kein Raum mehr für die Annahme eines Fehlbetrages im Sinne des § 2329 Abs. 1 S. 2 BGB (3).
(1)
Die Zeugin M. G. hat im Wesentlichen bekundet, Ende der (19)80er, Anfang der 1990er-Jahre habe ihr damaliger Mann – der Erblasser – einen Personal-Computer (nachfolgend: „PC“) gekauft, obwohl er im Gegensatz zu ihrem Sohn – dem Beklagten – über keine technischen Kenntnisse verfügt habe, um mit dem Gerät umzugehen. Da der Erblasser aber gerne geschrieben habe, habe der Beklagte, dem insoweit der Umgang mit dem Gerät schon altersbedingt leichter gefallen sei als jenem, versucht, seinem Vater zu helfen, wobei er ihm insoweit auch Unterricht gegeben habe. Etwa 1992 habe sich der Erblasser dann an das (erste) Buch(-Projekt) gesetzt. Der Erblasser habe „es“ – damit meinte die Zeugin ersichtlich die jeweiligen Textpassagen – zunächst auf einer einfachen Schreibmaschine vorgeschrieben, während ihr Sohn anschließend die Übertragung in den PC vorgenommen habe. Außerdem sei auch noch ein Scanner angeschafft worden, um Fotos in das Buch einbeziehen zu können, was ebenfalls vom Beklagten umgesetzt worden sei. Dieser habe sich auch um die Anordnung des Textes und um den Stil des Buches gekümmert. Die betreffenden Arbeiten ihres Sohnes hätten ein- bis viermal unter der Woche stattgefunden, je nach der schulischen Situation; an Wochenenden und in den Ferien sei es jeweils mehr gewesen. Für die betreffenden Arbeiten des Beklagten seien mindestens acht Stunden pro Woche angefallen. Das Ganze sei etwa vier Jahre so gegangen.
Ab 1996 sei es zu einem zweiten Buchprojekt des Erblassers gekommen. Daneben habe ihr Sohn dann noch viele Sachen für den K.-Verein gemacht, in dem ihr damaliger Mann tätig gewesen sei. So etwa habe der Beklagte Einladungen geschrieben, Dokumente für Reisen und Ähnliches. Sie wisse, dass es mindestens fünf Stunden pro Woche gewesen seien. Etwa im Jahr 1998 – genauer wisse sie das nicht mehr – habe der Erblasser einen eigenen Verlag gegründet.
Zunächst sei von einer Kompensation für die vom Beklagten erbrachten Leistungen keine Rede gewesen. Später, nach der Scheidung von ihr, habe der Erblasser seiner Dankbarkeit dadurch Ausdruck verliehen, dass er dem Beklagten noch eine kleine Wohnung übertragen habe.
Der Senat hat die Zeugin als glaubwürdig eingestuft und ihre Aussage jedenfalls im Kerngehalt für glaubhaft erachtet.
Zwar war zu berücksichtigen, dass es sich bei der Zeugin um die Mutter des Beklagten handelt, weshalb ihr allein schon dieser engen verwandtschaftlichen Bindung wegen keine neutrale Stellung beigemessen werden konnte. Weder aufgrund ihres persönlichen Eindrucks, den sie hinterließ, noch in Anbetracht der Gesamtumstände ergaben sich aber Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit ihrer nachvollziehbar erscheinenden Angaben. Insbesondere war darauf Bedacht zu nehmen, dass sowohl die betreffende Darstellung des Beklagten als auch die Zeugenaussage seiner Mutter durch die Urkundenlage erhärtet werden. Denn der Erblasser hat in seinem im Jahre 1995 veröffentlichten Werk „…“ eine Dankeswidmung an den damals nicht einmal 14 Jahre alten Beklagten („Meinem lieben Sohn … gewidmet, ohne dessen großartige Hilfe am Computer dieses Buch niemals hätte fertig gestellt werden können.“ – vgl. Anlage B 62, erstinstanzlicher Anlagenband II 2, Seite 207) vorangestellt, die erkennen lässt, welche Bedeutung er dessen Unterstützung bei diesem Projekt beimaß. Dies verkörpert zugleich ein wichtiges Indiz dafür, dass das betreffende Engagement des Beklagten tatsächlich weit über das hinausging, was man von einem Jugendlichen in seinem damaligen Alter erwarten durfte. Vor diesem Hintergrund bestehen auch keine Zweifel daran, dass im Jahr 2002 zwischen dem Beklagten und dem Erblasser jedenfalls eine konkludente Übereinkunft dahin getroffen wurde, dass die in der Vergangenheit erbrachten Unterstützungsleistungen des Beklagten abgegolten werden sollten, und zwar durch die zumindest auch als Gegenleistung hierfür anzusehende Übertragung der Miteigentumsanteile an der Eigentumswohnung Nr. 4, so dass diese allenfalls aufgrund einer gemischten Schenkung vollzogen wurde.
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Aufgrund der Aussagen der Zeugin G. sowie der im Wesentlichen plausiblen Angaben des informatorisch gehörten Beklagten geht das Berufungsgericht davon aus, dass der betreffende Zeitaufwand, der für eine Unterstützung des Erblassers in den Jahren 1992 bis einschließlich 1998 anfiel, sich auf insgesamt mindestens 2.000 Stunden belief. Dabei war für den Zeitraum von 1992 – 1995 jährlich ein Aufwand von mindestens 400 Stunden – dies entspricht pro Kalenderwoche einem Durchschnitt von ca. 7,69 Stunden – in Ansatz zu bringen, woraus sich eine erste Teilsumme von 1.600 Stunden (= 4 Jahre à 400 Stunden) ableitet. Für die Zeitspanne von 1996 – 1998 war hingegen von einem merklich geringeren, die zweite Teilsumme bildenden Zeitaufwand von mindestens 400 Stunden auszugehen.
Dabei war zu sehen, dass sowohl nach der Schilderung der Zeugin als auch nach den Angaben des Beklagten für die ersten vier Jahre ab 1992 der wöchentliche Zeitaufwand als gleichbleibend relativ hoch beschrieben und auf mindestens 8 Stunden (M. G. – AS II 316) eingegrenzt bzw. einem Korridor von 7 – 10 Stunden (Angaben des Beklagten – AS II 315) zugeordnet wurde. Damit bleibt die vom Senat zugrunde gelegte erste Teilsumme nur geringfügig unter dem Wert von 1.664 Stunden, der sich für die vier Jahre ergeben hätte, wenn man gemäß dem schriftsätzlichen Vortrag des Beklagten (AS II 143) durchschnittlich einen Zeitaufwand von 8 Stunden als erwiesen angesehen hätte (4 Jahre x 52 Wochen x 8 Stunden = 1.664 Stunden).
Die nachfolgende Zeitspanne war indes ersichtlich dadurch gekennzeichnet, dass sich der Zeitaufwand des Beklagten im Sinne einer insbesondere im Jahre 1998 dynamisch verlaufenden Entwicklung verringerte, zumal die Arbeit an dem zweiten Buchprojekt des Erblassers bereits im ersten Halbjahr beendet war. Da es erfahrungsgemäß schwerfällt, derartige Veränderungen und ihre Auswirkungen zuverlässig wahrzunehmen und im Gedächtnis zu speichern, war gegenüber den betreffenden Bekundungen der Zeugin, aber auch den Angaben des Beklagten diesbezüglich eine größere Zurückhaltung angezeigt. Träfe deren Darstellung uneingeschränkt (AS II 315, 316) zu, wären in den drei Jahren von 1996 – 1998 wöchentlich mindestens 5 Stunden an Zeitaufwand angefallen, was einer zweiten Teilsumme von 780 Stunden (= 3 Jahre x 52 Kalenderwochen x 5 Stunden) entsprochen hätte, sich jedoch mit dem defensiver gehaltenen schriftsätzlichen Prozessvortrag des Beklagten – danach seien von ihm mindesten 450 Stunden für die Unterstützung des Erblassers aufgewandt worden (AS II 143) – nicht ohne weiteres deckt. Unter Vornahme eines Abschlags von etwas mehr als 10% von dem zuletzt genannten Wert war daher von einem – die zweite Teilsumme bildenden – Zeitaufwand von mindestens 400 Stunden auszugehen.
(2)
Den Wert der vom Beklagten gegenüber dem Erblasser erbrachten Gegenleistung hat das Berufungsgericht gemäß § 287 Abs. 2 ZPO auf mindestens 12.000,00 EUR geschätzt, was einer (durchgängig über Jahre hinweg unverändert in Ansatz gebrachten) Vergütung in Höhe von 6,00 EUR pro Stunde entspricht. Dabei ließ sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten:
Zieht man die Daten des Statistischen Bundesamts (https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-Branche-Berufe/Tabellen/liste-bruttomonatsverdienste.html#134756) heran, betrug bereits im Jahre 1992 der – währungsbereinigte – monatliche Durchschnittsbruttoverdienst 2.108,00 EUR, was bei einer Arbeitszeit von 174 Stunden pro Monat (siehe etwa https://www.shiftjuggler.com/blog/berechnung-der-taeglichen-woechentlichen-und-monatlichen-arbeitszeit/) einen Stundenlohn von 12,11 EUR ergibt. Bereits nach allgemeinen Maßstäben musste die Arbeitskraft des damals schulpflichtigen, 1992 erst zehn Jahre alten Beklagten mit einem deutlichen Abschlag gegenüber einem erwachsenen Berufstätigen versehen werden, den der Senat mit rund 50% in Ansatz gebracht hat.
Ob stattdessen – etwa aufgrund eines immateriellen Eigeninteresses des Erblassers (vgl. AS II 145) – von vornherein oder wenigstens für die nachfolgenden Jahre ab 1993 die Zubilligung eines (sukzessiv) höheren Vergütungssatzes als die veranschlagten mindestens 6,00 EUR pro Stunde geboten gewesen wäre, kann aus den gleich nachstehend aufgezeigten Gründen auf sich beruhen.
(3)
Standen dem unbelasteten Verkehrswert der Eigentumswohnung Nr. 4 von 92.000,00 EUR Gegenleistungen des Beklagten in Höhe von mindestens 12.000,00 EUR entgegen, belief sich der unentgeltliche Anteil der Zuwendung des Erblassers auf einen Wert von (allenfalls) 80.000,00 EUR. Anknüpfend an die oben unter bbb. dargelegte Berechnung verblieb in Anbetracht dessen kein Fehlbetrag mehr im Sinne des § 2329 Abs. 1 S. 2 BGB: Denn aus dem vorbezeichneten Wert sowie aus dem der Klägerin gebührenden tatsächlichen Nachlasswert von 16.000,00 EUR leitet sich eine Zwischensumme von (höchstens) 96.000,00 EUR (= 80.000,00 EUR + 16.000,00 EUR) ab, was unter Heranziehung der Pflichtteilsquote von 1/6 zu einem (fiktiven) Anteil der Klägerin von 16.000,00 EUR (= 96.000,00 EUR x 1/6) führt. Dieser Anteil entspricht indes genau der Höhe des – hiervon in Abzug zu bringenden – tatsächlichen Nachlasswertes von (ebenfalls) 16.000,00 EUR, ohne dass insoweit eine betragsmäßige Differenz verbliebe, welche die Grundlage eines Duldungstitels bilden könnte.
Zweiter Teil: Widerklage
Die zulässige Widerklage hat in der Sache Erfolg.
A.
Der Antrag ist zulässig.
Bei dem vom Beklagten verfolgten Verlangen handelt es sich um eine Zwischenfeststellungswiderklage gemäß § 256 Abs.2 ZPO. Eine solche ist zulässig, wenn die Parteien – wie hier – mit der Klage oder der Widerklage mehrere selbständige Ansprüche verfolgen, für die das streitige Rechtsverhältnis vorgreiflich ist, mögen sie auch in ihrer Gesamtheit die Ansprüche erschöpfen, die sich aus dem Rechtsverhältnis überhaupt ergeben können (vgl. BGH MDR 2013, 544 – juris Rn. 19 mwN).
Unabhängig davon sind bzw. wären auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer (allgemeinen) Feststellungsklage erfüllt; insbesondere besitzt der Beklagte ein rechtliches Interesse (§ 256 Abs. 1 ZPO) an der erstrebten Feststellung.
B.
Die Widerklage ist auch begründet.
Die Klägerin ist nämlich erst aufgrund der letztwilligen Verfügung des Erblassers von 23. Juni 2008 dessen Erbin geworden, während sie ihre Rechtsstellung nicht aus dem gegenständlichen Erbvertrag herleiten kann. Wie bereits oben dargelegt, wurde sie darin nicht aufgrund einer vertragsmäßigen, sondern lediglich aufgrund einer einseitigen Verfügung des Erblassers als (Mit-)Erbin eingesetzt. Ihre in dem gegenständlichen Vertrag erfolgte einseitige Erbeinsetzung widerrief der Erblasser am 7. Februar 2002, als er mit seiner vierten Ehefrau einen weiteren Erbvertrag schloss (LGU 4; Anlage B 10). Der diesbezügliche Widerruf war schließlich auch wirksam (§ 2299 Abs. 2 S. 2; S. 1 i.V.m. §§ 2254, 2258 Abs. 1 BGB).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit lässt sich den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO entnehmen.
IV.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.