LG Arnsberg – Az.: 1 O 261/19 – Urteil vom 17.09.2021
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.085,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.09.2019 zu zahlen.
Die Beklagte wird außerdem verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 4.085,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.09.2019 zu zahlen.
Weiter wird die Beklagte verurteilt, die Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwaltskanzlei T, X xx, xxxxxx Y, in Höhe von 2.095,35 EUR freizustellen.
Die Beklagte wird schließlich verurteilt, an die Kläger einen Betrag von 357,00 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 47 Prozent und die Beklagte zu 53 Prozent.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Klägerin und der Kläger sind zwei von insgesamt vier Kindern des am 07.05.2018 verstorbenen Erblassers, Herrn I, zuletzt wohnhaft in xxxxx P. Der Erblasser war verwitwet und alleiniger Eigentümer der Immobilie unter der Anschrift „U“ in P. Durch letztwillige Verfügung vom 20.08.2005 setzte er seine weitere Tochter, die Beklagte, zur Alleinerbin ein.
Außergerichtlich forderte der Kläger die Beklagte unter dem 05.06.2018 auf, ein Nachlassverzeichnis an ihn zu übermitteln. Mit Schreiben vom 29.06.2018 erkannte die Beklagte den Auskunftsanspruch an und teilte mit, es habe bei der Sparkasse V zwei Konten auf den Namen des Erblassers gegeben, die mit einem Saldo in Höhe von 38.305,00 EUR und in Höhe von 15.552,00 EUR geschlossen hätten. Dabei saldiere letzteres nach Abzug der Beerdigungskosten lediglich noch auf 9.458,51 EUR. Weiter sei der Verkehrswert des im Eigentum des Erblassers stehenden Grundstücks mit 60.000,00 EUR zu beziffern. Auf Basis eines sodann ermittelten Nachlasswertes zahlte die Beklagte an die Kläger jeweils einen Betrag von 13.509,54 EUR.
Wegen fortbestehender Differenzen betreffend den Verkehrswert der Immobilie, gaben die Kläger schließlich ein Wertermittlungsgutachten in Auftrag, wonach den Marktwert des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks – ohne Berücksichtigung von Inventar – auf 97.200,00 EUR taxiert wurde. Für die Erstellung des Gutachtens sind den Klägern Kosten in Höhe von 357,00 EUR entstanden.
Die Kläger forderten die Beklagte – letztmalig mit Schreiben vom 26.08.2019 – unter Fristsetzung bis zum 05.09.2019 auf, an sie einen Betrag von jeweils 20.000,00 EUR zu zahlen. Die Aufforderungsschreiben blieben ohne Erfolg.
Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte als Alleinerbin habe die Bestattungskosten allein zu tragen, weshalb die Kürzung des Nachlasswertes insoweit nicht gerechtfertigt sei. Da außerdem der Verkehrswert des Grundstücks, so behaupten die Kläger, einschließlich des Inventars mit einem Wert in Höhe von 117.200,00 EUR zu bemessen sei, ergebe sich für jeden Kläger ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 21.382,12 EUR. Abzüglich der bereits geleisteten Zahlung in Höhe von 7.872,58 EUR ließe sich der klageweise geltend gemachte Betrag errechnen.
Weiter behaupten die Kläger, für die Beauftragung des hiesigen Prozessbevollmächtigten seien ihnen vorgerichtliche Kosten in Höhe von insgesamt 2.095,35 EUR entstanden, welche ebenfalls von der Beklagten zu tragen seien. Diese ergäben sich nach berechtigtem Streitwert in Höhe von 40.375,00 EUR für beide Kläger einschließlich einer Erhöhungsgebühr um 0,3.
Da die Beklagte sich nach Auffassung der Kläger mehrfach geweigert habe, den Wert des Grundstücks ordnungsgemäß anzugeben, habe diese schließlich auch die für das Wertermittlungsgutachten aufgewendeten Kosten zu ersetzen.
Mit Klageschriftsatz vom 10.10.2019 haben die Kläger zunächst vorgerichtliche Kosten in Höhe von insgesamt 2.343,34 EUR geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 17.02.2021 haben sie die Klage soweit umgestellt.
Die Kläger beantragen,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 15.745,16 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 06.09.2019 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 2.095,35 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 06.09.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagten zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 357,00 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, den Klägern stünden keine über die bereits geleisteten Zahlungen hinausgehenden Ansprüche aus Pflichtteil zu. Das Grundstück habe, einschließlich des höchstens mit einem Wert von 200,00 EUR zu bemessenden Inventars, einen maximalen Verkehrswert von 60.000,00 EUR.
Die Klage ist der Beklagten am 11.11.2019 zugestellt worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen, Herrn D. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 18.11.2020 sowie die ergänzende Stellungnahme vom 11.05.2021 Bezug genommen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 03.07.2020 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
I.
Da Gegenstand des Rechtsstreits vorliegend gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche sind, sind die Voraussetzungen einer subjektiven Klagehäufung nach § 60 ZPO gegeben und die Kläger daher berechtigt, als einfache Streitgenossen gemeinschaftlich zu klagen.
II.
Die Klage hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg.
1.
Die mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachten Zahlungsansprüche der Kläger sind in Teilen auch begründet.
a.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch von 4.085,90 EUR.
Der Anspruch folgt aus § 2303 Abs. 1 BGB.
Danach kann ein Abkömmling des Erblassers, sofern er durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.
aa.
Die Klägerin ist als Tochter des Erblassers aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 20.08.2005, mit welcher die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt wurde, Pflichtteilsberechtigte.
bb.
Der Pflichtteilsanspruch der Klägerin beläuft sich in Höhe von 1/8 aus einem Gesamtnachlasswert von 140.763,51 EUR, mithin in Höhe von 17.595,44 EUR.
Der nach § 2311 Abs. 1 BGB zu ermittelnde Nachlasswert setzt sich dabei aus dem im Zeitpunkt des Erbfalls am 07.05.2018 vorhandenen Mobiliar- und Immobiliarvermögen abzüglich etwaiger Erbfallverbindlichkeiten zusammen.
(1)
Das Barvermögen belief sich zum Stichtag auf insgesamt 47.763,51 EUR. Dies ergibt sich aus den unstreitig gestellten Kontoguthaben der Konten des Erblassers bei der Sparkasse V. Diese saldierten entsprechend des Parteivortrages auf 38.305,00 EUR sowie 15.552,00 EUR, mithin in Summe auf 53.857,00 EUR.
Allerdings sind die angefallenen Beerdigungskosten in Höhe von 6.053,52 EUR entgegen der klägerischen Auffassung bei der Ermittlung des Nachlasswertes zwecks Berechnung von Pflichtteilsansprüchen in Abzug zu bringen. Zwar sind die Kosten für die Beerdigung nach § 1968 BGB vom Erben zu tragen, sie können aber als sogenannte Nachlassverbindlichkeit bei der Berechnung des Pflichtteils entsprechend abgezogen werden.
Vgl. etwa Rösler in: Groll/Steiner, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 5. Aufl. 2019, Pflichtteil, Rn.26.67.
(2)
Das Immobiliarvermögen, bestehend aus dem im Eigentum des Erblassers stehenden Grundstücks einschließlich des darin enthaltenen Inventars, war überdies mit einem Wert von 93.000,00 EUR zu bemessen.
Die streitgegenständliche Immobilie weist alleine einen Marktwert in Höhe von 91.000,00 EUR auf. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem Gutachten des Sachverständigen D vom 18.11.2020.
Unter Berücksichtigung der Lage, des baulichen Zustands und der Ausstattung der Immobilie sowie Anlegung des Maßstabes eines sogenannten Sachwertverfahrens ermittelt der Sachverständige nachvollziehbar einen Marktwert von 91.000,00 EUR. Dabei beläuft sich der Sachwert des Grundstückes, welcher sich anhand der Baukosten und unter Berücksichtigung der Gesamt- und Restnutzungsdauer sowie unter Anpassung an den am Markt erzielbaren Kaufpreis ergibt, nach Angaben des Sachverständigen auf 90.648,00 EUR. Der zu Plausibilitätsgründen ermittelte Ertragswert von 90.320,00 EUR bestätigt den im Endergebnis ausgeworfenen Marktwert.
Wie sich aus der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 11.05.2021 ergibt, floss in die Bewertung auch ein, dass die Renovierungsmaßnahmen in Teilen der Wohnfläche des Erd- und Obergeschosses erst nach dem Bewertungsstichtag von der Beklagten vorgenommen worden sind. Etwaige Wertsteigerungen, die das Wohnhaus somit durch die Modernisierungsarbeiten erfahren hat, sind vom Wert der Immobilie ordnungsgemäß in Abzug gebracht worden.
Das Gericht schließt sich den plausiblen und in sich gut verständlichen und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen vollständig und aus eigener Überzeugungsbildung an.
Das im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandene Inventar bewertete die Kammer unter Zugrundelegung der von Klägerseite unwidersprochenen Aufstellung der Beklagten, die diese mit Schriftsatz vom 14.08.2021 zur Akte reichte, außerdem mit insgesamt 2.000,00 EUR. Grundlage der nach § 287 Abs. 2 ZPO im vorliegenden Fall zulässigen Schätzung waren vorliegend entsprechende – im Internet recherchierte – (Kauf-) Angebote für Mobiliar und Ausstattung mit vergleichbaren Eigenschaften, wobei insbesondere das Alter, der Zustand und das Material der aufgeführten Gegenstände ausschlaggebend waren.
cc.
In Höhe der unstreitig bereits geleisteten Zahlung der Beklagten von insgesamt 13.509,54 EUR ist allerdings Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB eingetreten und der Anspruch insoweit erloschen.
dd.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
b.
Für den Anspruch des Klägers, der ebenfalls in Höhe von 4.085,90 EUR, zuerkannt wird, wird vollumfänglich auf die Ausführungen unter Ziffer 1., lit. a. verwiesen.
Gleiches gilt für den insoweit geltend gemachten Zinsanspruch.
c.
Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten ergibt sich gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Das Aufforderungsschreiben der Kläger vom 26.08.2019 löste Verzug beginnend mit dem 06.09.2019 aus. Die geringfügige Zuvielforderung steht der Wirksamkeit der Mahnung und damit dem Einsetzen der Verzugswirkung nicht entgegen, weil die Beklagte als Schuldnerin die Erklärung nach den Umständen des Falls als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen musste und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit war.
Vgl. BGH, NJW 1999, 3115 m.w.N.
Da die Kläger allerdings trotz Bestreitens der Gegenseite eines Nachweises über die erfolgte Zahlung ihren Prozessbevollmächtigten schuldig geblieben sind, war nur auf Freistellung einer Kostentragungslast in Höhe von 2.095,35 EUR zu erkennen. In der Höhe ergibt sich der Anspruch aus einem berechtigten Gegenstandswert von 40.357,00 EUR und unter Berücksichtigung einer Erhöhungsgebühr von 0,3 aus Nr. 1008 VV RVG.
2.
Ein Anspruch der Kläger als Gesamtgläubiger ergibt sich entsprechend des Klageantrags zu Ziffer 2) zudem in Höhe von 357,00 EUR aus §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB.
Danach kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Dabei sind allerdings nur diejenigen Aufwendungen erstattungsfähig, die der Geschäftsführer für erforderlich halten durfte.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Insbesondere durften die Kläger die Kosten für die Erstellung eines Wertermittlungsgutachtens für erforderlich halten.
Eine Erstattung der Kosten eines vom Auftraggeber vorgerichtlich beauftragten Sachverständigen kommt zwar nur in Betracht, wenn die Beauftragung des Gutachters unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach Zeitpunkt, Inhalt und Umfang des Auftrags bei objektiver verständiger Sicht dem Auftraggeber erforderlich erscheinen musste, sogenannte psychische Kausalität.
Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.08.2013, 22 U 4/13.
Die Beklagte bezifferte den Verkehrswert der streitgegenständlichen Immobilie insistierend auf nur 60.000,00 EUR. Da dies trotz ersichtlich entgegenstehender Anhaltspunkte, vgl. etwa Anlage K 2, und der Aufforderung der Klägerseite, einen höheren Betrag anzuerkennen, erfolgte, durften sich die Kläger unter Zugrundlegung eines objektiven Bewertungsmaßstabes nachvollziehbar herausgefordert fühlen, einen Sachverständigen zur Klärung der streitigen Sachlage hinzuzuziehen.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1, 709 ZPO.
Der Streitwert wird auf bis 19.000,00 EUR festgesetzt.