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Pflichtteilsergänzungsanspruch – Schenkung – Leibrente – Nießbrauch

In einem ungewöhnlichen Erbstreit vor dem Landgericht Weiden kämpft eine Schwester um ihren Pflichtteil, nachdem ihre Mutter ihrem Bruder bereits 1995 zwei Grundstücke übertragen hatte. Der Clou: Weil die Mutter im Gegenzug eine Leibrente erhielt, die ihren Mieteinnahmen entsprach, beginnt die Frist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch erst mit dem Verzicht auf diese Rente im Jahr 2013, so das Gericht. Nun muss der Bruder den Wert der Immobilien und der Leibrente ermitteln lassen, um den Anspruch seiner Schwester zu erfüllen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Weiden
  • Datum: 21.06.2024
  • Aktenzeichen: 11 O 108/23
  • Verfahrensart: Stufenklageverfahren zur Pflichtteilsergänzung
  • Rechtsbereiche: Erbrecht, Pflichtteilsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Klägerin: Pflichtteilsberechtigte Schwester des Beklagten. Sie argumentiert, dass ihr Ansprüche auf Pflichtteilsergänzung zustehen, da eine gemischte Schenkung zwischen der Erblasserin und dem Beklagten stattfand. Sie fordert die Ermittlung des Wertes der zu Lebzeiten übertragenen Grundstücke und Leibrente, um ihren Pflichtteil berechnen zu können.
  • Beklagter: Bruder der Klägerin und Alleinerbe. Er bestreitet die Ansprüche der Klägerin, indem er argumentiert, dass die Übertragung der Grundstücke und die Leibrente eine echte Gegenleistung waren und somit die Frist für die Pflichtteilsergänzung nicht anzuwenden sei.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Der Beklagte wurde von der Erblasserin als Alleinerbe eingesetzt. Die Klägerin, als pflichtteilsberechtigte Schwester, fordert eine Pflichtteilsergänzung für die lebzeitige Übertragung von Grundstücken durch die Erblasserin an den Beklagten. Diese Übertragungen beinhalteten eine Leibrentenregelung und eine Reallast auf den Grundstücken.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Frage, ob die Übertragung der Grundstücke als gemischte Schenkung angesehen werden kann, sodass die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB für die Pflichtteilsergänzung relevant ist.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht entschied zugunsten der Klägerin. Der Beklagte muss den Wert der Immobilie und der Leibrente zum maßgeblichen Zeitpunkt ermitteln.
  • Begründung: Das Gericht folgte der Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass für die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB nicht nur der formale Eigentumsübergang, sondern die wirtschaftliche Ausgliederung aus dem Vermögen des Erblassers entscheidend ist. Da die Erblasserin die Leibrente bis 2013 bezog und diese mit den damaligen Mieteinnahmen verknüpft war, war die Frist nicht abgelaufen.
  • Folgen: Der Beklagte ist verpflichtet, die Wertermittlung durchzuführen, um den weiter geltenden Anspruch auf Pflichtteilsergänzung festzustellen. Die endgültige Kostenentscheidung bleibt ausstehend, und der Anspruch der Klägerin auf ihren unbezifferten Pflichtteilsergänzungsanspruch wird bei rechtskräftiger Entscheidung behandelt.

Pflichtteilsergänzungsanspruch: Gerechte Erbverteilung in der Nachlassplanung

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch spielt eine zentrale Rolle im Erbrecht, insbesondere wenn es um die gerechte Verteilung von Vermögenswerten nach dem Tod eines Erblassers geht. Er tritt in Kraft, wenn ein Erbe durch Schenkungen, die zu Lebzeiten des Erblassers gemacht wurden, benachteiligt wird. Diese Schenkungen können beispielsweise in Form von Leibrenten oder Nießbrauchrechten vorliegen und beeinflussen die Erbschaft sowie den Pflichtteil erheblich.

Die Nachlassplanung erfordert oft eine sorgfältige Testamentsgestaltung, um ungewollte Konflikte innerhalb der Familie zu vermeiden. Dabei sind auch steuerliche Überlegungen, wie die Schenkungsteuer, entscheidend. Im Folgenden wird ein konkreter Fall beleuchtet, der diese komplexen Zusammenhänge anschaulich darstellt und analysiert.

Der Fall vor Gericht


Geschwisterstreit um Pflichtteilsergänzung nach Immobilienübertragung

Notarvertrag über wertgesicherte Leibrente
Symbolfoto: Ideogram gen.

Ein Erbfall zwischen Geschwistern beschäftigt das Landgericht Weiden. Die Klägerin macht gegenüber ihrem Bruder, dem Alleinerben, Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB geltend. Hintergrund ist die Übertragung mehrerer Grundstücke von der 2021 verstorbenen Mutter an den Beklagten im Jahr 1995.

Leibrente statt Mietzahlungen bei Immobilienübertragung

Die Mutter hatte ihrem Sohn mit notariellem Vertrag vom 20.11.1995 zwei Grundstücke überlassen. Im Gegenzug erhielt sie eine wertgesicherte monatliche Leibrente von 1.500 DM. Diese Zahlung orientierte sich an den damaligen Mieteinnahmen des Wohnhauses von etwa 1.900 DM monatlich. Zur Absicherung wurde eine Reallast im Grundbuch eingetragen. Im Oktober 2013 verzichtete die Mutter auf die weitere Leibrentenzahlung.

Streit um Fristbeginn für Pflichtteilsergänzung

Das zentrale Streitthema ist der Beginn der zehnjährigen Frist nach § 2325 Abs. 3 BGB für Pflichtteilsergänzungsansprüche. Die Klägerin argumentiert, die Frist habe nicht bereits 1995 mit der Grundstücksübertragung begonnen, da sich die Mutter durch die Leibrentenregelung den wirtschaftlichen Genuss zurückbehalten habe. Der Beklagte hingegen sieht in der Leibrente eine echte Gegenleistung, die unabhängig von den Erträgen zu zahlen war.

Landgericht bejaht späten Fristbeginn

Das Landgericht Weiden folgt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Bundesgerichtshofs. Für die Mutter habe sich nach der Überlassung wirtschaftlich nichts geändert, da die Leibrente grundsätzlich ihren vorherigen Mieteinnahmen abzüglich Kosten entsprach. Die Anpassung der Leibrente an den Lebenshaltungskostenindex statt an Mietzinsveränderungen sei unerheblich. Erst mit dem Verzicht auf die Leibrente im Herbst 2013 habe die Mutter die wirtschaftliche Nutzung der Grundstücke aufgegeben. Damit greife der Pflichtteilsergänzungsanspruch noch ein.

Das Gericht gab der Stufenklage der Schwester statt. Der Bruder muss nun den Wert der Immobilien zum Zeitpunkt März 1996 sowie den Kapitalwert der Leibrente von November 1995 ermitteln lassen. Die Entscheidung über die konkrete Zahlungshöhe bleibt einem späteren Urteil vorbehalten.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil klärt die rechtliche Behandlung von Immobilienübertragungen mit Leibrentenvereinbarung im Kontext von Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Es bestätigt, dass für die Berechnung eines möglichen Pflichtteilsergänzungsanspruchs sowohl der Immobilienwert zum Übertragungszeitpunkt als auch der Kapitalwert der vereinbarten Leibrente ermittelt werden müssen. Die Entscheidung verdeutlicht, dass eine vereinbarte Leibrente, auch wenn sie sich an Mieterträgen orientiert, als echte Gegenleistung zu bewerten ist und sich grundlegend von einem Nießbrauch unterscheidet.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie als pflichtteilsberechtigter Erbe vermuten, dass der Erblasser zu Lebzeiten Immobilien gegen eine Leibrente übertragen hat, können Sie die Ermittlung der damaligen Werte verlangen. Dies gilt auch dann, wenn die Leibrente sich an den Mieterträgen orientierte. Sie müssen beachten, dass eine Leibrentenvereinbarung anders bewertet wird als ein Nießbrauch – sie stellt eine echte Gegenleistung dar. Für die Berechnung Ihres möglichen Pflichtteilsergänzungsanspruchs sind sowohl der damalige Immobilienwert als auch der Kapitalwert der vereinbarten Leibrente entscheidend.


Sicherung Ihrer Erbansprüche bei Immobilienübertragung

Das Urteil des Landgerichts Weiden zeigt, wie komplex die Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen bei Immobilienübertragungen mit Leibrentenvereinbarungen sein kann. Gerade die Unterscheidung zwischen Leibrente und Nießbrauch ist entscheidend für die Wahrung Ihrer Rechte. Um Ihre Ansprüche optimal durchzusetzen und Fehlentscheidungen zu vermeiden, ist eine genaue Kenntnis der Rechtslage und der relevanten Fristen unerlässlich. Wir unterstützen Sie gerne bei der Prüfung Ihrer individuellen Situation und der Entwicklung einer maßgeschneiderten Strategie.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie berechnet sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch bei einer Immobilienübertragung mit Leibrente?

Bei einer Immobilienübertragung mit Leibrente wird der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach einem besonderen Berechnungsmodell ermittelt. Der Wert der Schenkung ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Verkehrswert der Immobilie und dem kapitalisierten Wert der Leibrente.

Bewertung der Immobilie

Der Verkehrswert der Immobilie zum Zeitpunkt der Übertragung bildet die Berechnungsgrundlage. Von diesem Wert wird die vereinbarte Leibrente in ihrer kapitalisierten Form abgezogen.

Kapitalisierung der Leibrente

Die Leibrentenzahlungen werden nach der Anlage 9 zu § 14 BewG kapitalisiert. Dabei wird die monatliche Rentenhöhe mit einem Faktor multipliziert, der sich nach der statistischen Lebenserwartung des Übertragenden zum Zeitpunkt der Schenkung richtet.

Berechnung des Ergänzungsanspruchs

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch unterliegt dem Abschmelzungsmodell. Der ermittelte Schenkungswert reduziert sich für jedes vollendete Jahr zwischen Schenkung und Erbfall um 10%. Bei einer Immobilienübertragung mit Leibrente beginnt die Zehnjahresfrist unmittelbar mit der Übertragung zu laufen.

Besonderheiten der Berechnung

Im Unterschied zum Nießbrauch mindert die Leibrente den Schenkungswert direkt. Wenn Sie eine Leibrente vereinbaren, wird deren kapitalisierter Wert sofort vom Immobilienwert abgezogen. Ein späterer Verzicht auf die Leibrentenzahlungen stellt allerdings eine neue, pflichtteilsrelevante Schenkung dar.


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Ab wann läuft die 10-Jahres-Frist bei einer Immobilienübertragung mit Leibrentenvereinbarung?

Bei einer Immobilienübertragung mit Leibrentenvereinbarung beginnt die 10-Jahres-Frist unmittelbar mit der Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch. Dies unterscheidet die Leibrente fundamental vom Nießbrauch, bei dem die Frist erst nach dem Ende des Nießbrauchs zu laufen beginnt.

Unterschied zum Nießbrauch

Die Leibrente bietet einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Nießbrauch: Während beim Nießbrauch die 10-Jahres-Frist blockiert wird, läuft sie bei der Leibrentenvereinbarung sofort. Der Grund liegt darin, dass bei der Leibrente eine echte wirtschaftliche Übertragung stattfindet, während beim Nießbrauch der Übertragende wirtschaftlicher Eigentümer bleibt.

Rechtliche Auswirkungen

Die laufende 10-Jahres-Frist hat direkte Auswirkungen auf mögliche Pflichtteilsergänzungsansprüche. Mit jedem Jahr nach der Übertragung reduziert sich der für den Pflichtteil relevante Wert um 10 Prozent. Nach Ablauf von zehn Jahren wird die Immobilienübertragung bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen nicht mehr berücksichtigt.

Praktische Bedeutung

Die Leibrente stellt eine Alternative zum Nießbrauch dar, wenn Sie eine Immobilie übertragen möchten. Der Übernehmer zahlt dabei regelmäßige, meist monatliche Beträge an den Übertragenden. Diese Zahlungen können wertgesichert vereinbart werden, sodass eine Inflationsanpassung stattfindet. Nur der unentgeltliche Teil der Übertragung – also der Wert der Immobilie abzüglich des kapitalisierten Werts der Leibrente – wird bei der späteren Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt.


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Welche rechtliche Bedeutung hat ein nachträglicher Verzicht auf Leibrentenzahlungen?

Ein nachträglicher Verzicht auf Leibrentenzahlungen kann weitreichende rechtliche Konsequenzen haben. Die steuerliche Anerkennung der Leibrente entfällt rückwirkend, wenn die vereinbarten Zahlungen willkürlich ausgesetzt werden.

Auswirkungen auf die rechtliche Einordnung

Wenn Sie eine Immobilie gegen Leibrente übertragen haben, wird diese Übertragung grundsätzlich als Verkauf und nicht als Schenkung eingestuft – allerdings nur, wenn die Leibrente angemessen hoch ist und tatsächlich gezahlt wird. Bei einem nachträglichen Verzicht auf die Rentenzahlungen kann sich diese Einordnung ändern.

Konsequenzen für den Pflichtteilsergänzungsanspruch

Ein nachträglicher Verzicht auf die Leibrente kann dazu führen, dass die ursprüngliche Vermögensübertragung nachträglich als Schenkung qualifiziert wird. In diesem Fall greift die zehnjährige Frist für Pflichtteilsergänzungsansprüche. Der Pflichtteilsberechtigte erhält dann einen anteiligen Anspruch auf den Wert der übertragenen Immobilie.

Vertragsänderungen und Dokumentation

Änderungen der Leibrentenvereinbarung müssen zwingend schriftlich fixiert werden, um steuerlich und rechtlich Bestand zu haben. Eine bloße mündliche Vereinbarung oder faktische Einstellung der Zahlungen ist nicht ausreichend. Bei einer willkürlichen Aussetzung der Leibrentenzahlungen entfällt zudem die steuerliche Abzugsfähigkeit als Sonderausgaben – auch wenn die Zahlungen später wieder aufgenommen werden.


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Welche Rolle spielt die Höhe der vereinbarten Leibrente im Verhältnis zu den Mieteinnahmen?

Die Höhe der vereinbarten Leibrente im Verhältnis zu den Mieteinnahmen ist entscheidend für die rechtliche Einordnung der Immobilienübertragung und deren pflichtteilsrechtliche Bewertung.

Berechnung und Verhältnis

Der Wert einer angemessenen Leibrente orientiert sich am Verkehrswert der Immobilie abzüglich des Werts des lebenslangen Wohnrechts. Wenn Sie eine Immobilie gegen Leibrente übertragen, wird der monatliche Mietwert mit dem Leibrentenbarwertfaktor multipliziert, um den Gesamtwert des Wohnrechts zu ermitteln.

Wirtschaftliche Bewertung

Eine zu niedrig angesetzte Leibrente im Verhältnis zum tatsächlichen Immobilienwert kann als teilweise Schenkung eingestuft werden. Der nicht durch die Leibrente abgedeckte Teil des Immobilienwerts unterliegt dann dem Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Rechtliche Konsequenzen

Bei einer angemessenen Leibrentenhöhe liegt ein vollentgeltliches Geschäft vor. In diesem Fall beginnt die zehnjährige Abschmelzungsfrist für Pflichtteilsergänzungsansprüche sofort zu laufen – anders als beim Nießbrauch. Die vereinbarte Leibrente muss dabei wirtschaftlich sinnvoll kalkuliert sein und den Verkehrswert der Immobilie angemessen widerspiegeln.


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Wie kann man Pflichtteilsergänzungsansprüche bei einer Immobilienübertragung rechtssicher durchsetzen?

Beweislast und Nachweise

Der Pflichtteilsberechtigte muss zunächst die Schenkung der Immobilie nachweisen. Dies erfolgt in der Regel durch Vorlage des Schenkungsvertrags und des Grundbuchauszugs. Bei der Wertermittlung gilt das Niederstwertprinzip – maßgeblich ist der niedrigere Wert zwischen Schenkungszeitpunkt und Erbfall.

Durchsetzung der Ansprüche

Die Durchsetzung erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Auskunftsanspruch gegen die Erben zu. Diese müssen detaillierte Informationen über den Wert der verschenkten Immobilie offenlegen. Verweigern die Erben die Auskunft oder bestehen Zweifel an deren Richtigkeit, kann eine eidesstattliche Versicherung verlangt werden.

Besonderheiten bei Nießbrauch und Wohnrecht

Bei Immobilienübertragungen mit Nießbrauchsvorbehalt beginnt die 10-Jahres-Frist für die Pflichtteilsergänzung erst mit dem Tod des Erblassers. Ein bloßes Wohnrecht hingegen lässt die Frist normal laufen, sofern es sich nur um ein eingeschränktes Wohnrecht handelt.

Verjährung beachten

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch verjährt grundsätzlich drei Jahre nach Kenntnis des Erbfalls. Die Verjährungsfrist beginnt erst, wenn der Berechtigte von der Schenkung und dem Erbfall Kenntnis erlangt hat. Bei mehreren Schenkungen muss der Anspruch zunächst gegen den zeitlich letzten Beschenkten geltend gemacht werden.

Wird die Immobilie unter Wert verkauft, liegt eine gemischte Schenkung vor. In diesem Fall muss der Pflichtteilsberechtigte die Differenz zwischen Verkehrswert und tatsächlichem Kaufpreis nachweisen. Bei der Wertermittlung können Sachverständigengutachten oder Vergleichspreise aus der Region herangezogen werden.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Pflichtteilsergänzungsanspruch

Ein gesetzlicher Anspruch von Pflichtteilsberechtigten (meist nahe Verwandte), wenn der Erblasser zu Lebzeiten Vermögen verschenkt und dadurch den Pflichtteil verringert hat. Der Anspruch soll verhindern, dass der Pflichtteil durch Schenkungen ausgehöhlt wird. Nach § 2325 BGB können Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass der Wert der Schenkung dem Nachlass hinzugerechnet wird. Beispiel: Ein Vater verschenkt ein Haus im Wert von 300.000 € an seine Tochter. Nach seinem Tod kann der Sohn den Wert des Hauses bei der Berechnung seines Pflichtteils berücksichtigen lassen.


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Leibrente

Eine regelmäßig wiederkehrende Geldzahlung, die an das Leben einer bestimmten Person (meist des Empfängers) gebunden ist und mit deren Tod erlischt. Sie wird oft bei der Übertragung von Immobilien als Gegenleistung vereinbart. Die Leibrente ist in §§ 759 ff. BGB geregelt und kann als Alternative zum Kaufpreis dienen. Beispiel: Die Eltern übertragen ihr Haus an die Kinder gegen eine monatliche Leibrente von 1.000 €, die bis zu ihrem Lebensende gezahlt wird.


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Reallast

Ein im Grundbuch eingetragenes Recht, das den jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet. Sie ist in §§ 1105 ff. BGB geregelt und dient häufig zur Absicherung von Leibrenten oder Versorgungsleistungen. Die Reallast haftet direkt am Grundstück und geht bei einem Verkauf auf den neuen Eigentümer über. Beispiel: Eine Leibrente wird als Reallast ins Grundbuch eingetragen und sichert so die Zahlungen an den ehemaligen Eigentümer.


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Wirtschaftliche Betrachtungsweise

Ein vom Bundesgerichtshof entwickeltes Rechtsprinzip, das bei der Beurteilung von Rechtsgeschäften nicht nur auf die formale juristische Gestaltung, sondern auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Auswirkungen abstellt. Im Erbrecht wird dies besonders bei der Bewertung von Schenkungen und der Bestimmung von Fristen relevant. Beispiel: Behält sich ein Schenker die kompletten Erträge eines verschenkten Grundstücks vor, beginnt die Frist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch erst mit Aufgabe dieser Nutzungen.


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Stufenklage

Eine besondere Klageart nach § 254 ZPO, bei der verschiedene Ansprüche nacheinander geltend gemacht werden. Sie wird häufig im Erbrecht verwendet, wenn zunächst Auskunft und Wertermittlung verlangt werden, bevor ein konkreter Zahlungsanspruch beziffert werden kann. Beispiel: Ein Pflichtteilsberechtigter verlangt erst Auskunft über den Nachlass, dann die Wertermittlung und schließlich die Zahlung des Pflichtteils.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 2325 BGB (Pflichtteilsergänzungsanspruch): Diese Vorschrift regelt, dass Pflichtteilsberechtigte eine Ergänzung ihres Pflichtteils verlangen können, wenn der Erblasser innerhalb von zehn Jahren vor seinem Tod Schenkungen gemacht hat, die den Nachlasswert gemindert haben. Entscheidend ist, ob der Erblasser die Schenkung wirtschaftlich aus seinem Vermögen ausgegliedert hat, inklusive der Aufgabe der Nutzungsmöglichkeiten.
    • Im Fall ist entscheidend, dass die Klägerin argumentiert, die wirtschaftliche Ausgliederung sei nicht mit der Überlassung der Grundstücke 1995 erfolgt, da die Leibrente sich am Mietwert orientierte und der Erblasserin wirtschaftlich ähnlich wie ein Nießbrauch den Genuss der Objekte gewährte.
  • § 2325 Abs. 3 BGB (Zehnjahresfrist): Nach dieser Vorschrift beginnt die Zehnjahresfrist für die Ergänzungsansprüche erst ab dem Zeitpunkt, an dem der Erblasser die wirtschaftliche Nutzung des Geschenks aufgibt. Eine rein formale Eigentumsübertragung genügt nicht, wenn die wirtschaftliche Nutzung weiterhin durch den Erblasser erfolgt.
    • Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, dass diese Frist erst 2013 zu laufen begann, da erst mit dem Verzicht auf die Leibrente die wirtschaftliche Nutzung der Grundstücke vollständig endete.
  • § 254 ZPO (Stufenklage): Diese Norm erlaubt es einem Kläger, zunächst Auskünfte einzufordern und erst nach Erhalt dieser Informationen einen konkreten Zahlungsanspruch geltend zu machen. Sie ist besonders geeignet für Fälle, in denen der Kläger die notwendigen Informationen für die genaue Bezifferung seines Anspruchs benötigt.
    • Die Klägerin nutzt diese Klageform, um zunächst die Werte der Grundstücke und der Leibrente zu ermitteln, um darauf basierend ihren Pflichtteilsergänzungsanspruch beziffern zu können.
  • Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB) im Vergleich zur Leibrente: Der Nießbrauch gewährt das Recht zur Nutzung eines Grundstücks, während eine Leibrente eine reine Geldzahlung darstellt, die durch eine Reallast gesichert sein kann. Wesentlich ist, ob der Erblasser weiterhin wirtschaftliche Vorteile aus der Immobilie zieht.
    • Im Fall argumentiert das Gericht, dass die Leibrente faktisch einer Nutzung gleichkommt, da die Zahlungen an den Mietwert gekoppelt waren und somit wirtschaftlich keinen Verzicht auf das Grundstück darstellen.
  • § 709 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit): Diese Regelung ermöglicht es, ein Urteil unter bestimmten Bedingungen vorläufig durchzusetzen, bevor es rechtskräftig ist. Dazu kann der Beklagte eine Sicherheitsleistung erbringen.
    • Das Gericht erklärt das Urteil zugunsten der Klägerin vorläufig vollstreckbar, verlangt jedoch eine Sicherheitsleistung von 10.000 Euro, um mögliche Nachteile für den Beklagten auszugleichen.

Das vorliegende Urteil


LG Weiden – Az.: 11 O 108/23 – Teilurteil vom 21.06.2024


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