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Testament – Auslegung eines Vermächtnisses betreffend ein Wohnungsrecht

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 3. Zivilsenat – Az.: 3 U 16/13 – Urteil vom 03.12.2013

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 10. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist von drei Monaten ab Verkündung dieser Entscheidung gewährt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe, jedenfalls aber in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe der Dachgeschoss-Wohnung im Hinterhaus des Grundstücks … geltend.

Der Kläger ist der Sohn der am 29. Mai 1997 verstorbenen Frau X, nachfolgend auch Erblasserin genannt.

Der Beklagte war mit der Erblasserin beruflich und persönlich verbunden. Sie hatten die streitgegenständliche Wohnung gemeinsam bewohnt. Die nach dem Vortrag des Klägers knapp 100 qm große Wohnung befindet sich auf dem ursprünglich der Erblasserin gehörenden Mehrfamilienhaus-Grundstück ….

Die vermögende Erblasserin errichtete am 15. Juli 1994 handschriftlich folgendes Testament unter dem genannten Datum und mit ihrer Unterschrift:

„Mein letzter Wille

Hiermit bestimme ich, daß Herr Y alle Wertgegenstände die seit 1988 gemeinsam angeschafft wurden, als alleiniger Erbe erhält. Die Wertgegenstände setzen sich wie folgt zusammen:

1.) Die Firma … bestehend aus sechs Sonderfahrzeugen mit einer Zentrale     1.200.000,-

2.) Den Firmenwagen Mitsubishi Echip 25.000,-

3.) Ein Paar Brillantohrringe 18.000,-

4.) Ein Brillantring 30.000,-

5.) bis 11.)

. . . .

Die gemeinsam bewohnte Wohnung mit allen dazu gehörenden Möbelteilen soll Y bis an sein Lebensende mietfrei bewohnen. Nur die Verbrauchskosten sind mit dem Erben des Hauses abzurechnen.“

Auf das Testament vom 15. Juli 1994 (Bl. 8 d.A.) wird Bezug genommen.

Die 29. Mai 1997 verstorbene Erblasserin wurde aufgrund dieses Testaments von dem Kläger als Alleinerbe beerbt. Es war zwischen den Parteien ursprünglich streitig, wer als Erbe berufen war. Die genannte Erb-Feststellung ist Gegenstand eines rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits zwischen den Parteien.

Der Beklagte bewohnte die streitgegenständliche Wohnung nach dem Ableben der Erblasserin weiter. Alle Wohnungen in dem Haus wurden in Wohnungseigentum aufgeteilt. Der Kläger ist Wohnungseigentümer.

Im Jahr 2006 nahm der Kläger den Beklagten durch Klage auf Zahlung der auf die Wohnung entfallenden und von ihm abgerechneten Betriebskosten für die Jahre 2001 ff in Anspruch genommen. Mit rechtskräftigem Urteil vom 9. November 2010 zum Aktenzeichen … hat das Landgericht Kiel den Beklagten verurteilt, aufgrund der für 2001 bis 2008 abgerechneten Betriebskosten einen Betrag von 8.163,12 € nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es ausgesprochen, dass der Beklagte aufgrund des Vermächtnisses vom 15. Juli 1994 verpflichtet ist, sämtliche ab 1. Januar 2009 für die streitgegenständliche Wohnung angefallenen und gemäß der Betriebskostenverordnung umlegbaren Betriebskosten an den Kläger zu zahlen. Auf das genannte Urteil wird verwiesen (Bl. 9 ff d.A.).

Der Beklagte leistete nachfolgend weder Zahlungen auf die titulierte Forderung noch auf die für die folgenden Jahre abgerechneten Betriebskosten.

Der Kläger erklärte mit Anwaltsschreiben vom 13. September 2011 gegenüber dem Beklagten die Kündigung des Wohnrechtsverhältnisses mit sofortiger Wirkung und forderte von diesem die Räumung der Wohnung bis 27. September 2011. In dem betreffenden Schreiben bezifferte er seine Forderungen mit insgesamt 43.630,81 € zuzüglich Zinsen ab 14. September 2011. Er gestand dem Beklagten für die vorzeitige Beendigung des Wohnrechts einen Zahlungs-Ausgleichsanspruch zu, den er auf der Grundlage eines Jahreswohnwerts von 5.600,00 € und einer Lebenserwartung von 16,49 Jahren auf 92.344,00 €, abgezinst auf 49.311,00 € bezifferte. Diesen Ausgleichsanspruch verrechnete er mit seinen Forderungen, so dass er als Ergebnis dieser Verrechnung dem Beklagten „vorsorglich“ die Zahlung von 1.051,58 € anbot und im Übrigen Verhandlungsbereitschaft über einen Auszugstermin mitteilte. Auf das Anwaltschreiben vom 13. September 2011 nebst Forderungsaufstellung (Bl. 21 ff d.A.) wird Bezug genommen.

Der Kläger hat im November 2011 Klage u.a. auf Herausgabe der Wohnung, hilfsweise auf Herausgabe Zug-um-Zug gegen Zahlung von 1.051,58 € erhoben

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat im Wege der Hilfswiderklage einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für die künftige Nutzung der Wohnung in Höhe von 35.960,73 € nebst Zinsen geltend gemacht.

Wegen des weiteren Sachverhalts, des Vorbringens und der Anträge der Parteien wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Mit Urteil vom 10. Januar 2013 hat das Landgericht entsprechend dem Hauptantrag – unter Zurückweisung der Klage im Übrigen und unter Zurückweisung der Hilfswiderklage des Beklagten – ausgesprochen, dass der Beklagte verurteilen wird, die Wohnung …, gelegen im Dachgeschoss, bestehend aus einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer, einem Bad, einem Balkon und einer Dachterrasse sowie zwei Kellerräumen im Keller, die in der anliegenden Zeichnung mit Keller 1 und Keller 3 bezeichnet sind, nebst Garage an den Kläger herauszugeben.

In dem Urteil ist ausgeführt, dass dem Beklagten aufgrund des Vermächtnisses in dem Testaments zumindest ein den Kläger einseitig verpflichtendes Dauernutzungs-Schuldverhältnis zugefallen sei. Ob zwischen den Parteien darüber hinausgehend ein vertragliches Leihverhältnis vereinbart worden sei, könne dahinstehen. Für die inhaltliche Ausgestaltung des erbrechtlich zugewandten Dauernutzungs-Schuldverhältnisses sei Erbrecht maßgebend. Das Erbrecht weise für die inhaltliche Ausgestaltung des hier fraglichen Rechts keine besonderen Bestimmungen auf. Die Begründung einer auflösenden Potestativbedingung im Sinne des § 2075 BGB könne nicht angenommen werden.

Das bestehende Dauernutzungs-Schuldverhältnis habe vom Kläger gemäß § 314 BGB aus wichtigen Grund gekündigt werden können. Der wichtige Grund liege in dem Umstand, dass der Beklagte sich dauerhaft außerstande und im Zweifel auch ungewillt gezeigt habe, die Wohnnebenkosten zu tragen. Im Testament sei eindeutig bestimmt, dass der Beklage die auf die Wohnungsnutzung entfallenden „Verbrauchskosten“ tragen solle. Tatsächlich habe der Beklagte seit 2001 keinerlei Wohnnebenkosten, seien sie verbrauchsabhängig oder nicht verbrauchsabhängig, getragen. Dies gelte auch für die Zeit nach Erlasse des Urteils des Landgerichts vom 9. November 2010 wegen seiner Zahlungspflicht betreffend die Wohnnebenkosten. Darüber hinaus habe der Beklagte erklärt, auch in der Zukunft dauerhaft zur Zahlung von Wohnnebenkosten außerstande zu sein. Ob der Beklagte tatsächlich zur Leistung dieser Zahlungen außerstande gewesen sei und auch weiterhin außerstande sein werde, sei nicht maßgeblich. Denn dem Testament sei nicht zu entnehmen, dass die Pflicht, die „Verbrauchskosten“ zu tragen, von der Fähigkeit des Nutzungsberechtigen abhängen sollte, entsprechende Kosen aufzubringen. Ein Anpassungsbedarf aufgrund des Gesichtspunkt eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage liege nicht vor. Denn die Leistungspflicht liege in der Sphäre des Beklagten; im Zweifel werde ein bestehender Lebensbedarf durch die öffentliche Hand gedeckt.

Einer Fristbestimmung gemäß § 314 Abs. 2 BGB habe es im Hinblick auf den Rechtsstreit vor dem Landgericht zum Aktenzeichen …. nicht bedurft.

Die Kündigung sei auch nicht verfristet. Es sei zu berücksichtigen, dass der Eintritt der Unzumutbarkeit an eine längerfristige, sich zuspitzende Entwicklung anknüpfe. Hier sei der ursprünglich streitige Umfang der Kostentragungspflicht zunächst in einem vorangegangenen Rechtsstreit geklärt worden. Werde auch diese Klärung nicht beachtet, werde die Fortsetzung des Nutzungsverhältnisses endgültig unzumutbar.

Eine Entschädigung für die vorzeitige Beendigung des Nutzungsverhältnisses stehe dem Beklagten nicht zu. Eine Anspruchsgrundlage dafür sei nicht ersichtlich.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt.

Er trägt vor, das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass das Wohnrecht und die Pflicht zur Zahlung der Betriebskosten in einem Austauschverhältnis stehen. Dafür gebe es keine Grundlage. Insbesondere aus dem Testament lasse sich dafür nichts entnehmen. Die Erblasserin habe den Beklagten mit dem vermachten Wohnrecht schützen und lebenslänglich versorgen wollen.

Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung sei verfristet. Sie sei nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund ausgesprochen worden (§ 314 Abs. 3 BGB). Dem Kläger sei seit 1997 bekannt, dass er, der Beklagte, keine Zahlungen leisten könne. Dem Kläger sei insbesondere bekannt, dass er, der Beklagte, im Jahre 2004 die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und auch nach dem Urteil vom 9. November 2010 keine Zahlungen erbringen konnte.

Das Landgericht habe zu Unrecht seine Hilfswiderklage abschlägig beschieden. Das ihm zugewendete lebenslängliche Wohnrecht stelle einen Vermögenswert dar. Das Landgericht habe enteignenden Charakter und verstoße gegen Art. 14 GG.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Kiel vom 10. Januar 2013 (Az. 13 O 181/11) abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfswiderklagend den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 35.960,73 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Auf den Hinweis des Senats, bei der gebotenen Auslegung des Vermächtnisses sei zu fragen, ob möglicherweise nicht ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnisses sondern ein dingliches Wohnrecht gemeint sein könnte, sind seitens des Klägers mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 weitergehende Ausführungen gemacht worden (Bl. 146 ff d.A.).

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.

Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger gemäß § 985 BGB die Herausgabe der bezeichneten Wohnung von dem Beklagten beanspruchen kann.

1.

a)

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass dem Beklagten aufgrund des Vermächtnisses in dem Testament vom 15. Juli 1997 ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnis, d.h. ein Leihrecht nach den §§ 598 ff BGB, zugewendet worden ist. Auf dieser Grundlage hat es dem Kläger zu Recht den geltend gemachten Herausgabeanspruch zugesprochen. Denn das schuldrechtliche Nutzungsverhältnis ist durch die außerordentliche Kündigung des Klägers vom 13. September 2011 fristlos beendet worden. Diese Kündigung ist gemäß § 314 Abs. 1 BGB wirksam. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen hat für den Kläger ein wichtiger Grund zur sofortigen Beendigung des Nutzungsverhältnisses vorgelegen. Der Grund bestand darin, dass der Beklagte den mit Urteil des Landgerichts Kiel vom 9. November 2010, …, titulieren Anspruch auf Zahlung restlicher abgerechneter Wohnnebenkosten aus den Jahren 2001 bis 2008 in Höhe von 8.163,12 € nebst Zinsen nicht erfüllt und erklärt hatte, weder auf den titulierten Anspruch noch auf die Ansprüche aus den für die nachfolgenden Jahre vorgelegten Wohnnebenkosten-Abrechnungen und aus künftigen abzurechnenden Wohnnebenkosten Zahlung zu leisten. Dass dies in einer Gesamtschau einen wichtigen Grund für die sofortige Beendigung des Nutzungsverhältnisses darstellt, liegt auf der Hand.

Die Einwendung des Beklagten, die Nutzungsüberlassung und die Pflicht zur Tragung der abgerechneten Wohnnebenkosten stehe in keinem Austauschverhältnis, ist unerheblich. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 314 Abs. 1 BGB kann sich auch aus der Verletzung einer nicht im Austauschverhältnis stehenden Pflicht aus dem schuldrechtlichen Nutzungsverhältnis ergeben.

Auch die Einwendung des Beklagten, die vom Kläger geltend gemachte Forderung über rund 43.000,00 € betreffe nicht bzw. nicht allein Wohnnebenkosten, ist nicht erheblich. Allein die Nichtzahlung auf den titulierten Zahlungsanspruch wegen der abgerechneten Wohnnebenkosten aus 2001 bis 2008 über 8.163,12 € nebst Zinsen und die vorgenannte Erklärung des Beklagten ergeben einen wichtigen Grund zur sofortigen Beendigung.

Die Einwendung des Beklagten dahin, die Kündigung mit dem genannten Kündigungsgrund sei gemäß § 314 Abs. 3 BGB deswegen verfristet, weil sie nicht innerhalb angemessener Frist nach Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund erklärt worden sei, greift nicht durch. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der vorliegende Kündigungsgrund u.a. in einer Pflichtverletzung des Beklagten mit Dauercharakter bestanden hat, nämlich in der bis zur Kündigungserklärung andauernden Nichterfüllung seiner Pflicht zur Zahlung der titulierten abgerechneten Wohnnebenkosten und in seiner Erklärung, auch die nachfolgend abgerechneten und die in Zukunft noch abzurechnenden Kosten nicht zu zahlen.

Dabei führt der Vortrag des Beklagten, er sei in wirtschaftliche Not geraten bzw. sei aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage gewesen bzw. sei heute und auch in absehbarer Zeit nicht in der Lage, die abgerechneten bzw. zukünftig abzurechnenden Wohnnebenkosten zu zahlen bzw. darauf Zahlungen zu leisten, zu keiner anderen Beurteilung. Einerseits ist dieser Vortrag nicht substantiiert. Andererseits hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass es allgemein bekannt ist, dass der Beklagte, wenn er seinen Lebens- und Unterkunftsbedarf nicht anders decken kann, letztendlich die Möglichkeit hat, Sozialhilfeleistungen, hier u.a. auch Leistungen zur Deckung seines Unterkunftsbedarfs, in Anspruch zu nehmen.

Es kommt hinzu, dass der in der mündlichen Verhandlung vom Senat persönlich angehörte Beklagte angegeben hat, dass er tatsächlich Sozialleistungen, auch solche zur Deckung seines Unterkunftsbedarfs in Anspruch genommen hat und nimmt und zwar in einer Größenordnung von monatlich rund 140,00 €. Dabei lagen und liegen die abgerechneten Wohnnebenkosten bei monatlich rund 350,00 €. Aus diesen Umständen folgt, dass der Beklagte den Anspruch des Klägers auf Ersatz der abgerechneten Wohnnebenkosten in der Vergangenheit mit dem Einsatz der ihm zu dem entsprechenden Zweck gewährten Sozialleistungen zumindest teilweise hätte erfüllen können bzw. heute und zukünftig zumindest teilweise erfüllen könnte. Als wichtiger Grund zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung ist ausreichend, dass der Beklagte den Anspruch des Klägers wegen der Wohnnebenkosten nicht zumindest teilweise erfüllt hat sowie heute nicht zumindest teilweise erfüllt und auch zukünftig teilweise erfüllen will.

Der Umstand, dass der Beklagte früher im Rahmen des Abschlusses eines Vergleichs und in der mündlichen Verhandlung am 12. November 2013 vorbehaltlos eine Abtretung seiner Ansprüche auf Sozialleistungen gegen den Leistungsträger angeboten hat, ist unerheblich. Denn der Kläger muss sich darauf nicht einlassen. Im Übrigen ist seitens des Beklagten kein konkretes Angebot für eine entsprechende Abtretungsvereinbarung unter Benennung des Leistungsträgers und des abzutretenden Anspruchs gemacht worden bzw. kein zur Vorlage bei dem Leistungsträger und zum Nachweis der Abtretung geeignetes Angebotsdokument vorgelegt worden.

b)

Das Landgericht hat – auf der Grundlage, dass Gegenstand des Vermächtnisses ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnis ist – zu Recht den mit der Hilfswiderklage geltend gemachten Zahlungsanspruch des Beklagten wegen eines Ausgleichs für den zukünftigen Fortfall des Rechts für nicht gerechtfertigt erachtet. Denn aufgrund der Feststellung, dass der Kläger das auf Lebenszeit des Beklagten angelegte Nutzungsverhältnis mit Schreiben vom 13. September 2011 wirksam außerordentlich gekündigt hat, gibt es keine Grundlage für einen solchen Anspruch. Das vermachte Nutzungsverhältnis ist nämlich mit der Kündigung fristlos beendet worden; eine weitergehende Rechtsposition, die einen Ausgleichsanspruch begründen könnte, hat der Beklagte nicht.

2.

a)

Abweichend vom Landgericht neigt der Senat dazu, das Vermächtnis zu Gunsten des Beklagten in dem Testament vom 15. Juli 1997, hier den dritten und vierten Satz, dahin auszulegen, dass dem Beklagte damit ein dingliches Wohnungsrecht gemäß § 1093 Abs. 1 BGB (und nicht ein schuldrechtliches Nutzungsrecht, d.h. ein Leihrecht nach den §§ 598 ff BGB) zugewendet werden sollte. Darauf hat der Senat mit der Ladung zum Termin am 12. November 2013 hingewiesen.

Maßgeblich für die Auslegung des Testaments ist der wahre Wille der Erblasserin zur Zeit der Errichtung des Testaments (§§ 133, 2084 BGB; vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 72. Aufl., § 2084 Rn. 1). Dieser Wille ist vom Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände, auch solcher außerhalb der Testamentsurkunde zu ermitteln. Dabei ist u.a. zu berücksichtigen, was der Erblasser mit der betreffenden Vermächtnisanordnung bezwecken wollte.

Vorliegend gibt es verschiedene Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin mit dem Vermächtnis, hier mit der Zuwendung des Rechts, die Wohnung „bis an sein Lebensende mietfrei bewohnen“ zu können, dem Beklagten ein dingliches Wohnungsrecht zuwenden wollte. Dass der Beklagte „bis an sein Lebensende“ die Wohnung bewohnen können sollte, spricht dafür. Aus dem Umstand, dass die Erblasserin und der Beklagte gemeinsam als Lebensgefährten in dieser Wohnung gewohnt hatten, kann entnommen werden, dass die Erblasserin mit dem Vermächtnis ein abgesichertes Recht für den Beklagten zum lebenslangen Bewohnen-Können der Wohnung begründen wollte. Aus dem Zusammenhang zwischen den ersten beiden Sätzen (Zuwendung von Sachwerten) und dem dritten Satz ist der Schluss zu ziehen, dass die Erblasserin mit dem Vermächtnis dem Beklagten – wie in den beiden vorstehenden Sätzen – einen Vermögenswert in der Form eines beständigen und werthaltigen Rechts zuwenden wollte. Demgegenüber kann dem gebrauchten Wort „mietfrei“ keine ausschlaggebende Bedeutung gegen einen Willen, ein dingliches Wohnungsrecht zuwenden zu wollen, beigemessen werden. Damit sollte offenbar zum Ausdruck gebracht werden, dass der Beklagte für das vermachte Wohnrecht keine Gegenleistung erbringen sollte. Im Übrigen ist dabei zu beachten, dass die Erblasserin ihr Testament offensichtlich ohne fachkundigen Rat errichtet hat.

Bei der Auslegung ist weiterhin zu berücksichtigen, dass Testierende mit der letztwilligen Zuwendung eines lebenslangen Wohnrechts zu Gunsten einer ihnen nahestehenden Person nach aller Lebenserfahrung diese auf Dauer absichern und dauerhaft versorgt wissen wollen, d.h. ein dingliches Wohnungsrecht zuwenden wollen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie um den Unterschied zwischen einem schuldrechtlichen Nutzungsverhältnis (Miete, Leihe) und einem dinglichen Wohnungsrecht nach § 1093 Abs. 1 BGB wissen würden oder sich deswegen fachkundigen Rat eingeholt hätten. Denn ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnis auf Lebenszeit des Berechtigten ist in verschiedener Hinsicht, z.B. betreffend die Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung durch Kündigung, schwächer ausgebildet als ein dingliches Wohnungsrecht. Deswegen spricht die Lebenserfahrung in diesen Fällen dafür, einen Willen des Erblassers zur Zuwendung eines dinglichen Wohnungsrechts in Betracht zu ziehen (Grziwotz ZEV 2010, 130 ff; Hofstetter ZEV 1996, 17; Reymann in jurisPK-BGB, 6. Aufl., 2012, § 2174 Rn. 244/245; Staudinger/J. Mayer, BGB, Neubearbeitung 2009, § 1093 Rn. 7).

b)

Auch wenn zu Gunsten des Beklagten unterstellt wird, dass die Erblasserin ihm mit dem Testament vom 15. Juli 1997 ein dingliches Wohnungsrecht gemäß § 1093 Abs. 1 BGB zuwenden wollte, ist der Herausgabeanspruch des Klägers gemäß § 985 BGB gerechtfertigt. Denn im Ergebnis kann für den Beklagten kein Recht zum Besitz nach § 986 BGB festgestellt werden, das dem Herausgabeanspruch des Klägers nach § 985 BGB entgegenstehen könnte.

Dem Beklagten steht – in dem unterstellten Fall – aufgrund des Vermächtnisses gemäß §§ 2174, 2147 BGB ein Anspruch gegen den Kläger als Erbe auf Begründung eines dinglichen Wohnungsrechts gemäß § 1093 Abs. 1 BGB an der genannten Wohnung zu, d.h. ein Anspruch auf Bewilligung der Eintragung des Wohnungsrechts in das Wohnungsgrundbuch. Erst mit der Eintragung entsteht das Wohnungsrecht. Bisher gibt es – mangels Eintragung – (noch) kein Wohnungsrecht des Beklagten sondern nur den fortbestehenden Vermächtnis-anspruch gegen den Kläger gemäß §§ 2174, 2147 BGB auf Bewilligung der Eintragung des Rechts im Wohnungsgrundbuch.

Dieser Anspruch des Beklagten kann im Ausgangspunkt im Hinblick darauf, dass der Beklagte schon vor dem Erbfall im Besitz der Wohnung war und weiterhin ist, ein Recht zum Besitz begründen. Dies folgt aus der Parallele zu dem Fall, dass ein Eigentumserwerbsanspruch besteht und der Anspruchsinhaber bereits im Besitz der darauf bezogenen Sache ist (BGH MDR 1991, 150; Palandt/ Bassenge, aaO., § 986 Rn. 4).

c)

Die vom Kläger gegen den Vermächtnisanspruch des Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.

Die neu und erstmalig im Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 erhobene Einrede ist zu berücksichtigen bzw. kann nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden. Denn die der Verjährungseinrede zugrundeliegenden Tatsachen sind unstreitig (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 531 Rn. 20).

Aber die erhobene Einrede greift nicht durch, weil die laufende Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Ursprünglich galt für den Vermächtnisanspruch gemäß § 197 I Nr. 2 BGB a.F. eine Verjährungsfrist von 30 Jahren. Nach der Neufassung ab 1. Januar 2010 gilt für den Anspruch, gerichtet auf die Begründung eines Rechts an einem Grundstück gemäß § 196 BGB n.F. eine Verjährungsfrist von 10 Jahren. Nach der Art. 229 § 23 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EGBGB gilt vorliegend die (kürzere) Verjährungsfrist nach § 196 BGB n.F. von 10 Jahren – allerdings erst beginnend ab 1. Januar 2010. Dies bedeutet, dass die seit 1. Januar 2010 laufende Verjährungsfrist von 10 Jahren noch nicht abgelaufen ist.

d)

Das vom Kläger gegen den Vermächtnisanspruch des Beklagten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB wegen seines titulierten Anspruchs auf Zahlung von 8.163,12 € nebst Zinsen (Urteil des Landgerichts Kiel vom 9. November 2010, 9 O 284/06) greift durch.

Dieses Zurückbehaltungsrecht hat der Kläger geltend gemacht und zwar spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12. November 2013.

Ein Zurückbehaltungsrecht setzt voraus, dass der Schuldner, hier der Kläger, aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, hier den Beklagten, hat. Es ist anerkannt, dass der Begriff „auf demselben rechtlichen Verhältnis“ im weitesten Sinne zu verstehen ist. Die beiderseitigen Ansprüche müssen nicht in demselben Vertrag oder Schuldverhältnis ihre Grundlage haben; es reicht aus, wenn den beiderseitigen Ansprüchen ein innerlich zusammenhängender einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde liegt (BGHZ 115, 103, Palandt/Grüneberg, aaO., § 273 Rn. 9).

Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Auf der einen Seite hat der Vermächtnisanspruch des Beklagten seine Grundlage in dem Testament vom 15. Juli 1994 und beinhaltet einen Anspruch gegen den Kläger als Erben auf Begründung eines dinglichen Wohnungsrechts gemäß § 1093 Abs. 1 BGB, d.h. auf Bewilligung der Eintragung des Wohnungsrechts im Grundbuch.

Es kann dahinstehen, ob der Anspruch des Klägers auf Zahlung der abgerechneten Wohnnebenkosten sich auch aus dem Testament der Erblasserin vom 15. Juli 1994 ergibt. Jedenfalls liegt beiden Ansprüchen ein innerlich zusammenhängender einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde.

Dazu ist folgendes festzustellen:

aa)

Es kommt in Betracht, dass die Erblasserin mit der Formulierung, nur die Verbrauchskosten seien mit dem Erben abzurechnen, den Beklagten als Vermächtnisnehmer mit einer Auflage nach § 1940 BGB beschwerten hat und zwar mit der Auflage, zur Zahlung der Wohnnebenkosten an den Kläger verpflichtet zu sein. Dies ist möglich (§ 2186 BGB). Aber eine Auflage begründet nach der gesetzlichen Regelung nur eine Verpflichtung zur Leistung, nicht aber auch ein Recht auf die Leistung. Deswegen kann der fragliche Anspruch des Klägers auf Zahlung der abgerechneten Wohnnebenkosten sich nicht aus einer Auflage ergeben.

bb)

Auch eine Beschwerung des Beklagten als Vermächtnisnehmer mit einem Untervermächtnis zu Gunsten des Klägers als Untervermächtnisnehmer ist möglich (§ 2186 BGB). Aber mit Rücksicht auf die von der Erblasserin gebrauchte Formulierung, wonach nur die Verbrauchskosten mit den Erben abzurechnen sein sollen, kann nicht angenommen werden, dass sie damit ein Untervermächtnis, d.h. einen (selbständigen) Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu Gunsten des Klägers begründen wollte.

cc)

Die fragliche Anordnung der Erblasserin wegen der Verbrauchskosten ist dahin zu verstehen, dass sie dem Beklagten ein dingliches Wohnungsrecht zuwenden wollte und es Inhalt des zugewendeten Wohnungsrechts sein sollte, dass der Beklagte (nur) die Verbrauchskosten zu tragen hat. Dafür spricht der Umstand, dass der Berechtigte eines Wohnungsrechts nach § 1093 BGB die auf seine Wohnung entfallenen Verbrauchskosten zu tragen und weitergehend sich auch an den Betriebs- und Unterhaltungskosten zu beteiligen hat (BGH NJW 2012, 522; Palandt/Bassenge, a.a.O.; § 1903 Rn. 10). Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Wohnnebenkosten ergibt sich mithin aus dem Wohnungsrecht, das dem Beklagten mit dem Vermächtnis zugewendet worden ist, und zwar aus dem Inhalt dieses Rechts. Aus dieser Feststellung folgt, dass einerseits dem auf dem Testament beruhenden Vermächtnisanspruch des Beklagten, gerichtet auf die Begründung eines dinglichen Wohnungsrechts, andererseits dem Anspruch des Klägers auf Zahlung der auf die Wohnung entfallenden Nebenkosten aus eben diesem Wohnungsrecht ein innerlich zusammenhängendes einheitliches Lebensverhältnis zugrunde liegt, mithin dass sie auf demselben rechtlichen Verhältnis i.S.d. § 273 Abs. 1 BGB beruhen.

e)

Der Senat hat erwogen, dass die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts durch den Kläger unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen sein kann, hier weil der Anspruch des Beklagten die weitere Gewährleistung seines lebensnotwendigen Unterkunftsbedarf betrifft bzw. weil der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise ein Zurückstehen der Interessen des Klägers rechtfertigen könnte. Aber im Hinblick darauf, dass beim Beklagten ein nicht unerheblicher titulierter Zahlungsrückstand aus einem mehrjährigen Zeitraum entstanden ist und weder heute noch in Zukunft eine konkrete Aussicht dafür besteht, dass diese berechtigten Ansprüche des Klägers eine auch nur teilweise Erfüllung seitens des Beklagten erfahren werden, fehlt dafür eine Grundlage. Insoweit ist auch von Bedeutung, dass der Beklagte seit Jahren nicht einmal die ihm für seine Wohnkosten gewährten Sozialleistungen an den Kläger weiterleitet.

f)

Das Zurückbehaltungsrecht gibt dem Kläger gegen den Vermächtnisanspruch des Beklagten eine aufschiebende Einrede (§ 273 Abs. 1 BGB). Dies hat zur Folge, dass dem Beklagten gegen den Herausgabeanspruch des Klägers gemäß § 985 BGB mit dem – nunmehr mit dem geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht einredebehafteten – Vermächtnisanspruch kein Recht zum Besitz (mehr) zusteht. Der Anspruch des Klägers auf Herausgabe der Wohnung ist mithin gerechtfertigt.

g)

Der mit der Hilfswiderklage vom Beklagten verfolgte Zahlungsanspruch – Ausgleich wegen einer zukünftigen Nichtnutzung des dinglichen Wohnungsrechts – ist auch im unterstellten Fall, dass die Erblasserin ihm ein dingliches Wohnungsrecht zuwenden wollte bzw. zugewendet hat, nicht gerechtfertigt. Denn der Kläger entzieht ihm mit der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs keine Vermögensposition bzw. keine Nutzung eines Rechts, was eventuell Grundlage für einen entsprechenden Ausgleichsanspruchs sein könnte. Einerseits ist das vermachte dingliche Wohnungsrecht noch nicht entstanden. Andererseits bleibt der bestehende Vermächtnisanspruch des Beklagten nach §§ 2174, 2147 BGB unberührt; der Kläger macht gegen diesen Anspruch wegen eigener Ansprüche lediglich – mit Erfolg – ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Daraus ergibt sich keine Grundlage für einen Ausgleichsanspruch.

3.

Dem Beklagten wird – entsprechend dem angefochtenen Urteil – gemäß § 721 Abs. 1 ZPO eine Räumungsfrist gewährt. Es erschien sachgemäß, die Räumungsfrist mit drei Monaten ab Verkündung dieses Urteils zu bemessen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO. Die Sicherheitsleistung orientiert sich am Jahres-Mietwert der Wohnung (5.600,00 €) und an dem abgeschätzten Kostenerstattungsanspruch des Klägers.

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